Gebühren-Gerangel in Hamburg: Tote Pferde auf der Reeperbahn

Rot-Grün will, dass die Hamburg sauberer wird. Die Kosten sollen Touristen tragen, nicht Anwohner. Trotzdem erntet der Vorstoß nur Kritik.

Wer soll das bezahlen? Mitarbeiter der Stadtreinigung Hamburg im Kampf gegen das Laub. Foto: dpa

HAMBURG taz | Sie hatten sich das sicher anders vorgestellt: „Mehr Sauberkeit und Lebensqualität in der ganzen Stadt“ überschrieb die SPD-Bürgerschaftsfraktion schon vor beinahe einem Jahr, Mitte November 2016, eine Pressemitteilung. Die handelte von einer „Sauberkeitsoffensive“, die sich SPD und Grüne überlegt hatten, und für die sich später vor allem Grünen-Umweltsenator Jens Kers­tan wiederholt stark machte. Neben der Verdopplung der Straßenreinigungskräfte oder auch einer „Sauberkeits-App“ zählte zum Bündel der vorgestellten Maßnahmen auch „eine neue Straßenreinigungsgebühr“ – bezahlt werden muss so eine Offensive ja auch, sei’s im Krieg oder im Frieden; die Rede ist von 26 Millionen Euro im Jahr.

Beschlossen wurde die Sache im Sommer dieses Jahres vom Senat. Woraufhin nach beendeter Sommerfrische, im September, Grundeigentümer- und Mietervertreter, CDU, FDP und Steuerzahlerbund in teils selten zu erlebender Eintracht an die Öffentlichkeit traten und murrten: Ungerecht sei die geplante Gebühr und durch nichts gerechtfertigt, denn auch in Hamburg sprudelten doch die Steuereinnahmen. CDU und FDP sprachen gar von „Abzocke“.

Um die Orientierung zu erleichtern: Nach den Plänen von Kerstans Umweltbehörde sollen alle Grundstückseigentümer ab dem nächsten Jahreswechsel zur Kasse gebeten werden – in Höhe von 59 Cent je „Grundstücksfrontmeter“. Das würde sich in vielen Straßen jeweils auch noch auf etliche Mietparteien verteilen.

Vorletzter Aufzug im kleinen Sommertheater: Die örtliche Bild konnte am Mittwoch von einem SPD-Plan berichten. Demnach hat sich der vor Längerem schon vom Bezirksamtsleiter-Paulus zum Immobilienbranchen-Saulus gewandelte, nebenbei auch noch für die SPD im Parlament sitzende Markus Schreiber überlegt, wie die Straßen sauberer werden können, ohne damit den Zorn potenzieller Wähler auf sich zu ziehen: Man lässt einfach Leute bezahlen, die nur zu Besuch sind!

Ein hohes Maß an Sauberkeit im Stadtbild trage „wesentlich zur Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum bei“, erklärte der Senat in einer Drucksache vom 4. Juli. Diese umfasste auch den Entwurf für Novellierungen der Hamburgischen Wege- und Abfallgesetze sowie des Stadtreinigungsgesetzes.

Zur Finanzierung der vorgesehenen Maßnahmen, heißt es, „soll künftig wie in anderen Großstädten von den Anliegerinnen und Anliegern eine neu einzuführende Straßenreinigungsgebühr erhoben werden“.

Auf Anfrage des Blattes bestätigte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel, man diskutiere in der Koalition, ob die Sauberkeitsoffensive durch eine Erhöhung der „Bettensteuer“ zu stemmen sei, also der Abgabe, die in Hamburg Übernachtende entrichten, die nicht aus beruflichen Gründen hier sind. Dressel warnte aber auch gleich vor überzogenen Erwartungen: Man nehme derzeit 15 Millionen Euro jährlich mit der Tourismus-Taxe ein, da seien 26 Millionen Euro mehr schlicht „nicht drin“, wie er sagte.

Am selben Tag übrigens wurde bekannt, dass der US-Reiseführer „Lonely Planet“ die Stadt in eine Liste attraktiver Destinationen des kommenden Jahres aufgenommen hatte. Was noch mehr Touristen bedeuten könnte und also potenziell höhere Einnahmen. Beifall bekam die nun kursierende Finanzierungsidee trotzdem keinen: Der Bund der Steuerzahler sprach von einem „Ablenkungsmanöver“, und „Gastfreundschaft sieht anders aus“, gab sich der Deutsche Tourismusverband verschnupft. Die CDU schließlich mahnte, Rot-Grün solle absteigen von diesem „toten Pferd“.

Am Freitagnachmittag signalisierte Kerstan, im Senat denke man darüber nach, „wie wir für die Sauberkeitsoffensive zusätzliche Haushaltsmittel bereitstellen können, um bei der Gebühr zu einer Entlastung zu kommen“.

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