Musikalische Neinsager

Zur Eröffnung des „No! Music“-Festivals präsentieren sich Pussy Riot im Haus der Kulturen der Welt mit neuer Performance

Die Posen des Pop: Pussy Riot im Haus der Kulturen der Welt Foto: Karsten Thielker

Von Thomas Mauch

Widersprüchlichkeiten. Widersprüche. Darauf soll man stoßen bei dem „No! Music“-Festival im Haus der Kulturen der Welt, bei dem das Nein im Titel eben nicht heißen will, dass hier einfach mal die Musik ausgeknipst wird.

Stattdessen hat man mit dem Festival eine Plattform für Klang­erzeu­gun­gen, zu denen manche wohl nur ungern Musik sagen würden, sondern eher Krach, weil es halt eine Nicht-so-wie-gewohnt-Musik ist. Vor allem aber soll verhandelt werden, wie das überhaupt geht: Mit Musik Nein sagen.

Zum Auftakt von„No! Music“ am Donnerstagabend durfte man den Musizierenden des Zeitkratzer-Ensembles dabei zuhören, wie man – einer kompositorischen Vorgabe des Minimalisten La Monte Young folgend –, mit dem Schleifen von Stühlen über den Boden einen mächtigen Drone erzeugen kann. Und zu hören war daneben auch, dass zum Beispiel Velvet Underground wirklich entscheidend von La Monte Young in­spi­riert waren. Eigentlich klang es in dem Dröhnen wie bei der soundverliebten Rockband. Nur dass halt jede Melodie fehlte.

Dass aber das Haus der Kulturen der Welt an dem Abend ausverkauft war, lag natürlich nicht an dieser Krachlüsternheit. Es lag an Pussy Riot, der angriffslustigen Band, die 2012 Schlagzeilen mit ihrem Punkgebet in einer Moskauer Kirche machte. Ein Megaskandal in Russland. Drei Pussy-Riot-Musikerinnen mussten damals, verurteilt wegen Rowdytum, erst mal ins Gefängnis.

Im Haus der Kulturen der Welt stellten Pussy Riot ihre neue Performance vor. Gegen die allgemeine Apathie ging es in einer einleitenden Rede, dass man sich durchaus selbst ermächtigen kann. Und dass man allerdings mit Bierernst auch nicht unbedingt weiterkommt.

Dann blitzten die Lichter, die Musik bollerte, wobei man das mit dem Punkrock, mit dem man Pussy Riot bis dato verknüpft hatte, wenigstens musikalisch schnell vergessen durfte. Man hörte stattdessen von der Band Electropop, gesungen wurde auf Englisch und einmal auf Russisch, ein an Putin gerichtetes Protestlied, es gab eine Einlassung gegen ­Donald Trump, was man als eine West­erweiterung im Aktionsradius der Band betrachten mag, die jetzt doch auch ein wenig herum­kommen will in der Welt. Im Rahmen einer Deutschland­tour­nee werden Pussy Riot Mitte Januar so nochmals in Berlin, im SO36, spielen.

Arschwackeln kann als feministisches Statement betrachtet werden. Oder schlicht als Arschwackeln

Vielleicht kann man die Performance der russischen Band als Electropop-Kabarett bezeichnen. Ein Schauspiel jedenfalls, samt den durch den Saal huschenden Schergen, um die Stichpunkte „Repression“ und „staatliche Willkür“ in Erinnerung zu halten. Auf der Bühne wurden in Pantomimen und mit laszivem Getue etliche aus dem Popgeschäft bekannte Showchoreografien durchgespielt, die vielleicht ironisch oder möglicherweise doch einfach als Kasperletheater gemeint waren. Mit dem Blick auf die gesellschaftlichen Zurichtungen kann Arschwackeln eben als feministisches Statement betrachtet werden. Oder schlicht als Arschwackeln.

Wenn man so will, spürte man noch die Dissidenz dabei, dass das alles von Pussy Riot in den Bewegungen eher schnodderig-ungelenk daherkam. Ein Nein zur Perfektion. Auch im Popgeschäft.

Tatsächlich aber war das mitsamt seiner musikalischen Belanglosigkeit lähmend langweilig. Fast apathisch wollte man da werden, wenigstens in Bezug auf ästhetische Fragen. Ein Rumgehopse. Schauspielerisch in etwa wie eine eher undisziplinierte Schulklassenaufführung für Eltern. Pussy-Riot-Erziehungsberechtigte saßen keine im Saal, dennoch gab es forciert wohlwollenden Applaus. Zum Schluss hüpfte das Publikum sogar zu Teilen aus dem Gestühl und mimte Klassenparty im Haus der Kulturen der Welt, in dem noch bis Sonntag bei dem Festival „No! Music“ durchdekliniert wird.