Selbstverständlich Wien, was sonst

Gelungenes experimentelles Zusammenspiel von Wort und Bild: Arno Tauriinens „Goldgefasste Finsternis“ mit Illustrationen von Max P. Häring

Die Tuschzeichnungen stehen oft ganz eigenständig zum Text. Max P. Häring: Tribüne, 2017 Foto: aus dem besprochenen Band

Von Brigitte Werneburg

Immer öfter ist in letzter Zeit die Zusammenarbeit von Schriftstellern und bildenden Künstlern zu beobachten. Das war der Fall etwa beim Stadtführer „Durch Manhattan“, dem Gemeinschaftsprojekt von Autor Niklas Maak und der Künstlerin Leanne Shapton. Etwas früher im Jahr ist Arno Tauriinens Roman „Goldgefasste Finsternis“ bei Topalian & Milani erschienen, wobei der Verlag auf dem Buchumschlag eine „reich illustrierte Ausgabe“ verheißt, was wahrlich nicht übertrieben ist. Die generös beigestellten, exquisiten Tuschzeichnungen bereiten dem Leser allergrößtes Vergnügen. Ihr Urheber, der Künstler Max P. Häring, hat sie wenigstens so anspielungsreich und raffiniert gestaltet, wie der Autor sein verrücktes „Luftschloss in Prosa“ – so die Genre­bezeichung auf dem Titelblatt – gebaut hat.

Es sei ein Buch über Gott, den Teufel und die ganze Welt … als Theater, hätten ihm die Verleger das Projekt erklärt, berichtet Max Häring, der für den Verlag schon die „Römische Saison“ vom Deutschen Buchpreisträger Lutz Sailer illustriert hat. Dabei spiele eine Stadt als Luftschiff eine bedeutsame Rolle, von Seraphinen umflattert fahre sie durch die Luft, es handle sich selbstverständlich um Wien, was sonst. Und, ach ja, der Autor wolle anonym bleiben.

Die Doppelseite vor dem Titelblatt mit dem Autorenpseudonym zeigt ein schweres, mächtiges Schiff am Himmel. Es ist mit der Ansicht einer Stadt beladen, für die Häring sich durch eine Lithografie inspirieren ließ, die Adolf Friedrich Kunikes nach der Vorlage von Jakob Alt fertigte. Alt war im 19. Jahrhundert unter anderem für seine Wien-Veduten bekannt.

Oft stehen die Tuschzeichnungen, deren Charme auch in ihrer Anleihe beim Comic der psychedelischen 1970er Jahre liegt, ganz eigenständig zum Text, als fast abstrakte, rhythmisch gesetzte Schraffuren. Und sie beziehen sich natürlich auf die Erzählung, deren Fantastik sie raffiniert über den Verweis auf fantastische Dokumente erden.

Tauriinen lässt in seinem Welttheater Wolfgang Amadeus ständig sterben

So zeigt das Bild, das Tauriinen vom zugemüllten Arbeitsraum seines Architekten Gematalles entwirft, in Max P. Härings Tuschzeichnung das Chaos im Atelier von Francis Bacon, wie es von vielen Fotografien bekannt ist. An anderer Stelle erkennt Häring in den vielen Mozarti – Tauriinen lässt in seinem Welttheater Wolfgang Amadeus ständig sterben, damit er ständig wiedergeboren wird, freilich jedes Mal vervielfacht − einfach einen Iggy Pop.

Dass die „Goldgefasste Finsternis“ auf Platz eins der 2009 vom Blumenbar Verlag initiierten, inzwischen etablierten Hotlist 2017 der unabhängigen Verlage gewählt wurde, ist die, man möchte sagen: goldrichtige Anerkennung für das gelungene experimentelle ­Zusammenspiel von Wort und Bild. Und dann gibt es die prachtvoll toupierten breitwangigen Damen, die durch ihre Operngläser sehen, wie ein Diener den feuchten, schmutzigen Bühnenvorhang in Form bringen will, was sie mit einem Satz kommentieren, den sich die Feinde des Regietheaters unbedingt merken sollten: „Früher“, seufzten sie, „war’s im Theater nicht so nass.“

Arno Tauriinen: „Goldgefasste Finsternis“. Roman. Topalian & Milani Verlag, Ulm 2017. Reich illustriert von Max P. Häring, 292 Seiten, 21 Euro