zwischen den rillen
: Willkommen im verhexten Geräteschuppen

F.S. Blumm „Welcome“ (Karaoke Kalk/Indigo)

Musik als „märchenhaft“ zu beschreiben, ist gefährlich – denn es wirkt schnell naiv und kitschig. Und doch kommt ohne den Begriff kaum aus, wer sich der Klangwelt des Frank Schültge annähern will. Seit mehr als zwei Jahrzehnten reist der in Bremen geborene Berliner unter dem Alias F.S. Blumm als Geräuschforscher durch die Welt. In früheren Inkarnationen spielte er Postrock und produzierte Dub, realisierte Hörspiele fürs Radio, kollaborierte mit KünstlerInnen wie dem New Yorker Avantgarde-Gitarristen David Grubbs, der schwedischen Indietronic-Sängerin Ella Blixt und der jamaikanischen Produzenten-Legende Lee „Scratch“ Perry. Auch am aktuellen Album des umtriebigen Berliner Plattenladenbesitzers Jeff Özdemir wirkte F.S. Blumm mit.

Obwohl Schültges Klangästhetik eher der elektronischen Avantgarde als den Indie-Rumpelfüßlern zuzuordnen ist, klingen seine Tracks meist – der Liebe zu analogen Instrumenten und Field Recordings sei Dank –, als entstünden sie in einem verhexten Geräteschuppen. Selbst dem großen Minimalisten Nils Frahm verhalf er auf dem gemeinsamen Album „Tag Eins Tag Zwei“ aus dem letzten Jahr zu ungekannter Süße. F.S. Blumm, der singende, klingende Puppenspieler des Undergrounds.

Programmatisch erscheint da der Titel seines nun erscheinenden Albums „Welcome“: Eine Einladung zur Erzählstunde am Kaminfeuer ist Schültges neues Werk. „Welcome“ versammelt Songskizzen mit verschlepptem Tempo und verrauschtem Gesang, die allesamt klingen, als sei dem idiosynkratischen Märchenonkel ein Bart gewachsen, in dem nun Vögel nisten. „You need a friend“ wiederholt er mantraartig im Song „From Sentiments to Sediments“, und ja, ein Freund will er sein: einer, der seinen HörerInnen Geschichten einflüstert aus Zeiten, in denen die Vinyl knackte und Gitarrensaiten schnarrten. Verwunschener Flüstertüten-Folk: so weit, so bekannt.

Doch das Versprechen der Intensität ist bei Schültge nicht nur Pose. Genau hineinlauschen mag man in diese detailvernarrten Lieder, um immer Neues zu entdecken. So krabbelt das Intro von „Hedgehog“ ebenso gemütlich voran wie der titelgebende Igel. „Everything Burns“ verläuft sich zum Wiegenlied. Immer wieder scheinen sich die Gespenster verworfener Songideen auf „Welcome“ Gehör verschaffen zu wollen. Sie huschen kurz durchs Bild, um kurz darauf wieder im Äther zu verschwinden.

Vielen Komponisten simulieren ihr Leisetreten, Schültge liebt die kleine Bühne tatsächlich. In den Neunzigern war er Teil der Berliner Wohnzimmer-Folk-Szene, häufig strickte er mit selbstgebauten Instrumenten an der Entstehung von Off-Kultur im intimsten Sinne mit. Wunderbar passt das zum Bild des Künstlers F.S. Blumm, der seinen Namen dezent hinter Initialen versteckt, sich Inszenierungen und Szene-Codes verweigert – und wohl deshalb, so scheint es, vom Massenpublikum hartnäckig ignoriert wird.

Nun könnte man einwenden, dass es in Zeiten der Bon Ivers und Moses Sumneys, moderner Beschwörer der alten Folk-Geister, nicht noch Knisternostalgie aus dem Underground brauche. Doch stehen Schültges Lieder selbst auf seinem Songwriter-Album nicht in dieser Tradition; passender wäre er als Klangarchitekt beschrieben, der zufällig die Folk-Klaviatur zu spielen weiß. All das analoge Flirren und Knacksen ist auch bei Schültge nur Kunstgriff, um die Ahnung einer warmen, wundersamen Vergangenheit zu erwecken, die es so nie gegeben hat. Ein Kunstgriff jedoch, der Schültges Songs vertraut und sacht irritierend zugleich klingen lässt. Ganz so, als hörte man freundliche Versionen der Märchen, die man aus der Kindheit kennt. Und die waren ja ­eigentlich nie naiv, sondern ganz schön schaurig. Julia Lorenz

Live: 19. 11., Kugelbahn, Berlin