Kommentar Merkel zum Glyphosat-Verrat: Mehr geht gerade nicht

Landwirtschaftsminister Schmidt macht, was er will – Merkel guckt strengt und schimpft. Bei der aktuellen Lage ist das schon die Höchststrafe.

Eine Frau und ein Mann sitzen nebeneinander, zwischen ihnen viele Glasflaschen

Merkel zu Christian Schmidt: Einmal streng gucken, das war's Foto: dpa

Wann hat es das je gegeben? Ein Minister hält sich nicht an Koalitionsabsprachen, seine Regierungschefin verurteilt sein Handeln und dann … Ja, nix dann. Das war’s. Angela Merkel guckt kurz streng aus ihrem grauen Blazer. Und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt spaziert entspannt zurück in sein Büro. Alle machen, wozu sie gerade Lust haben – ist es das, was die Kanzlerin neuerdings unter Richtlinienkompetenz versteht?

Keine Frage, Angela Merkels Rüge gegenüber ihrem Minister war überaus deutlich. Zugleich aber muss man davon ausgehen, dass ihre Wortwahl – „entsprach nicht der Weisungslage, darf sich nicht wiederholen“ – in der aktuellen innenpolitischen Lage bereits als Höchststrafe gelten dürfte. Eine Art regierungsamtliches „Du, du!“. Mehr geht gerade nicht.

Der Vorgang um das möglicherweise hochgefährliche Pflanzengift Glyphosat zeigt, wie geschwächt Angela Merkels Position innenpolitisch gerade ist. Als Anführerin der Unionsparteien lässt sie sich von der CSU auf der Nase rumtanzen. Und als Regierungschefin muss sie hinnehmen, wie die Bayern den Nicht-mehr-und-noch-nicht-Koalitionspartner SPD planvoll düpieren. Für eine mögliche Wiederauflage der Großen Koalition verheißt das nichts Gutes. Ganz zu schweigen vom Ansehen der politischen AkteurInnen bei der Wählerschaft.

Wer sich nun fragt, warum ein weitgehend unprofilierter Bundesminister wie Christian Schmidt meint, überhaupt den Aufstand proben zu dürfen, sollte den Blick gen Bayern richten. Im Gegensatz zur CDU, die viel auf ihr Credo „Erst das Land, dann die Partei“ gibt, scheint man es bei der CSU gerade andersherum zu sehen: Erst die CSU, dann Bayern. Und irgendwann der Rest vom Land.

Teambuilding beim Bundespräsidenten

In München will CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer am kommenden Montag seine weiteren Pläne gegenüber Landtagsfraktion und Parteivorstand darlegen. Wenn es eine Botschaft gibt, die Seehofer dorthin aus Berlin mitbringt, dann ist es diese: Wir bleiben uns treu. Ein CSU-Minister, der schert sich nicht um Merkels Koalitionsarithmetik – der tut was für die deutschen Landwirte und für die Agrarlobby.

Zuvor, an diesem Donnerstag, treffen die Spitzen der drei Parteien in Schloss Bellevue aufeinander. Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz sind zu einer Art moderiertem Teambuilding beim Bundespräsidenten verabredet. Die durch das Jamaika-Scheitern ohnehin schon irre verfahrene Situation dürfte durch den Glyphosat-Skandal nicht einfacher werden.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat bereits angemahnt, die Kanzlerin müsse den eingetretenen Vertrauensverlust nun erst einmal „heilen“. Anderenfalls hätten Gespräche „keinen Zweck“. Hendricks hat recht. Schließlich war es die Union, die keine Einigung bei den Jamaika-Sondierungen erzielt hat. Es liegt nun bei Angela Merkel, diese Glaubwürdigkeitskrise zu lösen.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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