Bußgeld für Verweilen an einer Haltestelle: Parkbank wagen!

Sich niederlassen ohne zu konsumieren – in der Großstadt fast unmöglich. Sitzplätze im öffentlichen Raum sind politisch.

Eine Parkbank, davor eine grüne Tasche

Na, lädt doch zum Verweilen ein Foto: photocase/Miss X

Vielleicht wollte ein übereifriger Ordnungsamtler ein Exempel statuieren, aber das ging schief. Er hatte einen 86-Jährigen schon ein paar Mal angesprochen, wenn dieser wieder an einer Haltestelle am Hauptbahnhof in Düsseldorf saß, aber offenbar gar nicht Bus fahren wollte. Schließlich nahm der Amtmann die Personalien auf, kurz darauf flatterte dem Senior ein Bußgeldbescheid über 35 Euro ins Haus.

„Sie benutzten die Anlage des ÖPNV an der vorgenannten Örtlichkeit nicht ihrer Zweckbestimmung entsprechend und nutzten diese als Ruheplatz“, hieß es in dem Amtsschreiben, über das die Rheinische Post am Sonntag berichtete. Ein Bekannter des Mannes postete das Schrei­ben auf Facebook. Man erfuhr, dass der Betroffene dement und herzkrank war.

Nach einem Sturm der Entrüstung entschuldigte sich jetzt die Stadt bei dem Rentner. Falls der Kontrolleur vom Ordnungsamt den Mann der „Obdachlosen- oder Trinkerszene zugeordnet“ habe, ließe sich das Schreiben wohl so erklären, sagte eine Sprecherin. Der Amtmann hatte die Demenz nicht erkannt. Von Bußgeld ist nicht mehr die Rede.

Die Frage bleibt: Wo kann man sich eigentlich noch hinsetzen im öffentlichen Raum, ohne irgendwas konsumieren zu müssen? Die Frage betrifft jeden. Die Flächen der Verkehrsbetriebe sind juristisch gesehen kein öffentlicher Raum und jedenfalls nicht zum Aufenthalt gedacht, es sei denn, man ist Wartender. Wartender, nicht Ruhender! Damit auch niemand auf die Idee kommt, sich etwa mit einem Alibi-Fahrschein in der Tasche als Wartender zu tarnen, sich dann aber als Ruhender auf einer Bank auszustrecken, sind Wartebänke heute vielerorts ohnehin maximal unbequem. Metallstreben oder gar Gitter bohren sich in den Hintern, Lehnen gibt es nicht mehr, Armstützen verhindern, dass sich der Körper in die Horizontale begibt. Vielerorts handelt es sich gar nicht mehr um Bänke, sondern um Stühle in einer Reihe.

Mittelalter auf der Bank

Menschenfeindliches Stuhldesign mit scharfkantigen Sitzflächen und sperrigen Armstützen findet sich inzwischen auch in vielen Fußgängerzonen und an Verkehrsknotenpunkten, ganz so, als wolle man in Wirklichkeit verhindern, dass sich Menschen hier niederlassen.

Im Mittelalter war es angeblich verpönt, sich als Adliger oder gemeiner Bauer mit Angehörigen der anderen Schicht auf eine Bank zu setzen. Man blieb unter seinesgleichen. Daher kommt auch der Ausdruck „durch die Bank“ als Synonym für „unterschiedslos“. Im 19. Jahrhundert war die Bank im Park ein Ruheplatz vor allem für Bürgerliche. Arbeitende Schichten konnten sich das Kontemplieren aus Zeitgründen gar nicht leisten.

Heute konkurrieren die Ärmsten und die Bessergestellten um die Sitzplätze in den Parks der Metropolen

Heute kann man in Parks der Metropolen eine Konkurrenz beobachten zwischen jungen Leuten, RentnerInnen, Obdachlosen, Geflüchteten – Leute, die einen Ort suchen, wo es erstens ein bisschen schön ist und zweitens der Aufenthalt nichts kostet. Nur dass sich bei dieser Konkurrenz die Dinge oft umdrehen: Besetzen die Ärmsten, die Kränksten, die Durchgedrehten den Platz, wollen sich die etwas Bessergestellten lieber nicht mehr dazugesellen. Deswegen ist deren Furcht vor Landnahme im öffentlichen Raum so leicht zu wecken.

Es ist aber keine Lösung, auf öffentliche Sitzgelegenheiten zu verzichten oder sie so unbequem wie möglich auszustatten. Wagen wir mehr Parkbank auch mitten in der Stadt: aus Holz, mit durchgehender Sitzfläche und ordentlicher Lehne. Dann finden auch Demenzkranke überall einen ungestörten Ruheplatz.

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