Deutsch-türkische Beziehungen: Merkel und Erdogan reden wieder

Nach monatelanger Pause telefoniert die Kanzlerin mit dem Präsidenten. Ein Versuch, die Beziehungen wieder zu normalisieren?

Kanzlerin Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan im vergangenen Februar in Ankara

Da redeten sie noch dirket: Kanzlerin Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan im Februar in Ankara Foto: ap

ATHEN taz | So langsam scheint sich in den deutsch-türkischen Beziehungen wieder so etwas wie eine Rückkehr zur Normalität in den zwischenstaatlichen Beziehungen anzubahnen. Zuerst war es Außenminister Siegmar Gabriel, der Anfang November überraschend zu einem Kurzbesuch bei seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu im Badeort Antalya auftauchte, dann telefonierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zwischen seinen Koalitionsfindungsgesprächen am Mittwoch mit seinem Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan. Und nun griff auch Kanzlerin Angela Merkel zum Hörer.

Donnerstagabend telefonierte sie das erste Mal seit etlichen Monaten wieder mit Erdogan. Nach Meldungen der türkischen staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu habe man vereinbart, den Beziehungen wieder einen „neuen Impuls auf hoher Ebene zu geben“.

Außerdem habe Merkel versprochen dafür zu sorgen, dass die EU-Gelder, die der Türkei im Rahmen des Flüchtlingsabkommens zugesagt worden sind, schneller zu den türkischen Projektpartnern und an die türkische Regierung fließen.

Darüber hinaus habe Erdogan die Kanzlerin über die Syriengespräche informiert, die er mit den russischen und iranischen Präsidenten Putin und Rohani geführt hat.

Back to normal

Keine Rolle in den Gesprächen spielten offenbar die Nazi-Vorwürfe Erdogans an Merkels Adresse. Gleichzeitig war aber auch nichts mehr davon zu hören, dass Merkel Erdogan an das Schicksal der deutschen politischen Gefangenen in der Türkei erinnert hätte. Oder, dass sie gar eine Aufhebung des Ausnahmezustandes oder die Freilassung tausender anderer türkischer Oppositioneller angemahnt hätte.

Nachdem sie nach eigenen Angaben noch vor wenigen Wochen dafür gesorgt haben will, dass EU-Gelder, die an Beitrittskandidaten während des Verhandlungsprozesses gezahlt werden, für die Türkei gekürzt wurden, weil Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stark gefährdet seien, ist nun wohl wieder „Back to normal“ angesagt.

Es gibt viele Gründe, warum beide Seiten die schrillen Töne aus dem Frühjahr und Sommer des Jahres wieder vergessen lassen möchten. Dazu gehören von deutscher Seite die rund vier Millionen türkisch-stämmigen Einwanderer, die aufgehetzt von Erdogan, zu einem größeren innenpolitischen Problem werden könnten.

Dazu gehören aber auch die Interessen der vielen deutschen Firmen in der Türkei und die Zusammenarbeit mit Erdogan in Syrien und anderen Krisenherden im Nahen Osten. Erdogan dagegen braucht dringend wieder bessere Kontakte zur EU und Deutschland, weil seine Wirtschaft kriselt und er sich nicht gleichzeitig mit den USA und der EU streiten kann, ohne in eine bedrohliche Isolation zu geraten.

Noch ist unklar, ob das Tauwetter, wenn schon nicht den türkischen Demokraten, so doch wenigstens den deutschen politischen Gefangenen nutzt. Bisher hieß es jedenfalls immer, solange Deniz Yücel, dessen U-Haft gerade 300 Tage erreicht hat, und die anderen neun Inhaftierten nicht freigelassen werden, könne es keine Rückkehr zur Normalität geben.

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