Tod durch Überfischung: Aale sind bald alle

Die EU verbietet das Fischen des vom Aussterben bedrohten Aals nicht und legalisiert die Überfischung vieler Bestände.

Population ist dramatisch zurückgegangen: Europäischer Aal Foto: Abb: Felice Supino – Supino, 1916, Commons Wikimedia

HAMBURG taz | Thilo Maack ist pessimistisch: „Das wird den Aal nicht retten“, kommentiert der Meeresreferent von Greenpeace am Mittwoch in Hamburg die EU-Beschlüsse zu Fischfangmengen in der Nordsee. „Die EU-Minister nehmen in Kauf, dass der europäische Aal ausstirbt.“ Das befürchtet auch die Fischereiexpertin der Hamburger Umweltstiftung WWF, Stella Nemecky: „Artenschutz mit Verfallsdatum funktioniert nicht.“ Denn genau das hat die EU nach nächtlichen Verhandlungen in Brüssel am Mittwochmorgen beschlossen: Für den Aal in Atlantik, Nord- und Ostsee gilt künftig eine dreimonatige Schonzeit.

Der deutsche Fischereiverband sieht das mit „Unverständnis“, sagt Verbandssprecher Claus Ubl. Nach seiner Ansicht treffe die Schonzeit „die Falschen“, nämlich die Fischer. Kraftwerksbetreiber, in deren Kühlwassersystem Aale und andere Fische verenden, kämen ebenso ungeschoren davon wie die mit Vorliebe Aal fressenden rund 40.000 Kormorane in Norddeutschland.

Der Aal ist in Europa eine vom Aussterben bedrohte Fischart. Naturschützern zufolge ist die Population dramatisch zurückgegangen, nach Angaben des Umweltverbandes BUND beträgt sie nur noch zwei Prozent des Bestandes von 1979. Als mögliche Gründe für die Bestandsrückgänge gelten neben der Überfischung auch Klimaveränderungen und dadurch geänderte Meeresströmungen. In den Flüssen und Binnengewässern müssen Aale zudem Kraftwerke, Staumauern und chemische Belastungen überleben.

Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) in London, der alljährlich wissenschaftliche Empfehlungen für nachhaltigen Fischfang in der EU erarbeitet, fordert schon seit Jahren ein Aalfang-Verbot.

Mit den Fischfangquoten legt die EU fest, wie viel Fisch pro Jahr gefangen werden darf. Die Obergrenzen gelten für jeweils eine Fischart in einem bestimmten Meeresabschnitt.

Auf die EU-Staaten entfallen anhand der Gesamtfangmengen nationale Quoten. Ist das Kontingent einer Quote ausgeschöpft, muss das Land seinen Fischfang vorübergehend einstellen.

Die EU-Kommission schlägt auf der Grundlage von wissenschaftlichen Empfehlungen Fangmengen vor, die Entscheidung treffen letztlich die Fachminister der EU-Staaten.

Bei Beständen, die gemeinsam befischt werden, stimmt sich die EU mit anderen Anrainern ab: In der Ostsee mit Russland, in der Nordsee mit Norwegen und nach einem Brexit wohl auch Großbritannien.

Die EU-Kommission hatte im Sommer ein Fangverbot für die Ostsee vorgeschlagen, damit sich die angeschlagenen Bestände erholen können. Die Mitgliedsstaaten hatten dem aber nicht zugestimmt und stattdessen im Oktober eine EU-weite Lösung gefordert. Brüssel legte daraufhin einen Entwurf für ein umfassendes Aalfang-Verbot in Ostsee, Nordsee und dem europäischen Atlantikgebiet für 2018 vor – das der EU-Ministerrat jetzt aber auf ein dreimonatiges Fangverbot im Winter reduzierte.

Für insgesamt 53 Bestände in der Nordsee und dem Nordatlantik haben die EU-Minister Fischfangquoten festgelegt. Danach dürfen deutsche Fischer im kommenden Jahr deutlich mehr Hering aus der Nordsee ziehen: 25 Prozent mehr. Beim Kabeljau erhöht sich die Quote um zehn Prozent, beim Wittling sogar um 40, beim Seelachs um sechs Prozent. Einschränkungen gibt es dagegen bei der Makrele mit einem Minus von 20 Prozent und bei der Scholle mit minus 13 Prozent. Für die Ostsee hatten die EU-Minister bereits im Oktober beschlossen, in 2018 den Fang von Hering um 39 Prozent zu senken, von Schollen um zehn und von Lachs um fünf Prozent. Beim Dorsch bleibt die Fangquote unverändert.

Der auch für Fischfang zuständige Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) ist zufrieden. „In der Fischereipolitik bleiben wir voll auf Nachhaltigkeitskurs“, behauptet er jedenfalls am Mittwoch: „Eine Gefahr für die Bestände besteht nicht.“ Das sehen Umweltschützer anders. „Die legalisierte Überfischung in der Nordsee wird weniger, geht aber dennoch in die nächste Runde“, kommentiert Nemecky vom WWF. Diese Fangquoten könnten nicht dafür sorgen, „die Überfischung der europäischen Meere bis 2020 zu beenden, so wie es die EU-Mitgliedsländer bereits 2013 beschlossen haben“, sagt Maack von Greenpeace.

Wie man etwas verantwortungsvoller vorgehen kann, zeigen jetzt die Krabbenfischer in der Nordsee. Zwölf Erzeugergemeinschaften mit insgesamt mehr als 400 Krabbenkuttern in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden dürfen jetzt ihre Produkte mit dem blauen Umweltsiegel des Marine Stewardship Council (MSC) vermarkten. Die zertifizierten Kutter fangen mehr als 90 Prozent aller Nordseegarnelen.

Vorausgegangen war ein jahrelanger Konflikt zwischen Fischern und Umweltschützern, der nun in einer Vereinbarung mit dem Naturschutzbund (Nabu), dem WWF und der Schutzstation Wattenmeer beigelegt wurde. Deren Zustimmung zum MSC-Zertifikat „war kein Selbstläufer“, sagt Hans-Ulrich Rösner, Leiter des WWF-Wattenmeerbüros in Husum, ebenfalls am Mittwoch auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Fischereiverbänden und dem MSC in Hamburg.

Durch die Vereinbarung sei nun aber sichergestellt, dass die Krabbenbestände nicht überfischt werden, auch gegen unerwünschten Beifang wurden spezielle Maßnahmen vereinbart. Problematisch bleibe allerdings, dass die Krabbenfischerei in den Wattenmeer-Nationalparks weiterhin erlaubt bleibe. Der erzielte Kompromiss sei, sagt Rösner, „nur ein erster Schritt hin zu einer naturverträglichen Krabbenfischerei“.

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