Debatte Frauenquote in Polit-Talkshows: Männer erklären (wieder) die Welt

Auch 2017 sitzen deutlich mehr Männer in ZDF- und ARD-Talkshows statt Frauen. Zur Macht gehört auch, den öffentlichen Diskurs mitzuprägen.

Szene aus der Talkshow Anne Will, zu Gast sind vier Männer und eine Frau

Auch bei „Anne Will“: vier Männer, eine Frau Foto: NDR/Wolfgang Borrs

Das hier ist keine Abrechnung mit Männern. Es ist eine Abrechnung mit all jenen, die meinen, Frauen verlangten zu viel, wenn sie das Gleiche verlangen. Es ist auch kein Schrei nach Macht, wie Männer sie derzeit innehaben. Es ist eine Rede für das Recht darauf, Macht zu beanspruchen und so auszufüllen, wie man es als Frau für richtig hält.

Zur Macht gehört die Möglichkeit, den öffentlichen Diskurs mitzuprägen. Zum Beispiel durch Fernsehauftritte in die Köpfe der Menschen zu gelangen und dort ein Wörtchen mitzureden. Zur Macht gehört auch, für solche Fernsehauftritte als Expertin angefragt zu werden, Preise zu erhalten für das, was man tut, um eben wieder mehr Gehör zu erlangen.

In dieser Woche, in der Frauen in den USA Donald Trump vom Cover des Time Magazine herab eine Ohrfeige erteilen durften, weil er nicht dort saß, wo sie nun thronten, saßen die deutschen Frauen vor den Fernsehgeräten und ließen sich von Männern die Welt erklären. Sorry, Männer, wenn ihr jetzt pauschal sagt, das ginge gegen euch, dann müssen wir für die Alphatiere, die dauernd in den Medien präsent sind, einen Extranamen finden.

Markus Söder etwa als Prototyp für alle, die selbstgefällig und selbstverliebt im Fernsehen nicht auf den Punkt kommen, sondern auf sich. Gockel und Gefangene ihrer Selbstverliebtheit. Der Prototyp Markus Söder macht selbst aus der sonst tou­ghen Maybrit Illner eine devote Stichwortgeberin. Ich halte das auch für ein Problem der deutschen Frauen: Je mehr er Macho ist, desto weniger will sie Feministin sein – er könnte sie ja als solche beschimpfen. Merkel hat uns vorgemacht, dass wir das Wort lieber Alice Schwarzer überlassen ­sollten.

Zig Runden Bosbach im Jahr

Letzte Woche also verhalf das Time Magazine #MeToo zum nächsten Sieg. Bei den Wahlen in Alabama am Dienstag verweigerten die republikanischen Frauen Trump und seiner Gefolgschaft die Stimme. Alles Bewegungen, die dem Mut dieser Frauen zu verdanken sind. Währenddessen bei Anne Will: vier Männer, eine Frau. Bei Plasberg: fünf Männer, eine Frau. Bei Lanz: vier Männer, keine Frau. Lanz schaffte es übrigens, bei drei Sendungen in der ganzen Woche überhaupt nur eine Frau einzuladen: Frauke Petry. Die allerdings dafür, dass sie von der AfD ausgegrenzt wird. AfD und CDU haben maßgeblich dazu beigetragen, dass kaum Frauen in den Parlamenten sitzen. Was macht Lanz? Zig Runden Bosbach im Jahr. Ist ja auch ein Prototyp-Söder.

Die Bilanz dieser Woche lautet 13:2. Nur zwei Frauen boten abends ihre Perspektive auf die Wochenthemen an. Zwei Frauen durften in der öffentlich-rechtlichen Sendezeit, die für Debatten und Diskussionen gedacht ist, zu Wort kommen. Die Redaktionen wollen sich ihre Gäste nicht von irgendwelchen Feministinnen vorschreiben lassen – nur was, wenn diese Feministinnen auch die Bürgerinnen sind, die diese Formate finanzieren? Die Rechten haben mit ihren Lügenpresse-Vorwürfen einen Erdrutsch in den TV-Redaktionen verursacht. Doch wie ist das, wenn es um Ausgrenzung der weiblichen (oder migrantischen) Perspektive geht? So immun, wie man dort gegen Kritik aus diesen Ecken ist, muss das System haben. Wer steckt hinter diesem Kartell? Wer sind die Antifeministen?

Sollen wir Frauen uns mit einem offenen Brief an den Fernsehrat wenden? Der hat diese Zustände doch längst bemängelt. Und trotzdem, lieber Fernsehrat: Sehen Sie diese Kolumne bitte als offenen Brief. Mein Brief an Sie ist kurz und die Frage ist schlicht: Für wie blöd halten uns Ihre Redaktionen? Die Bilanz 13:2 habe ich getwittert. Der Tweet wird drei Tage später immer noch retweetet.

Zig Frauen, darunter Renate Künast und Brigitte Zypries haben ihn geteilt. Seltsam, dass ich Frau Zypries – seit sie Gabriel abgelöst hat – nicht halb so oft in Talks zu Wirtschaftsfragen gesehen habe wie vor ihr Sigmar Gabriel. Ist Wirtschaftsminister nur dann sexy für die Redaktionen, wenn sie den Kalauer vom Genossen der Bosse bringen können? Wir sehen ja, wohin wir „unseren“ Gerhard Schröder damit gebracht haben.

Frauen wollen angeblich oft nicht

Ich musste lernen, dass die Bilanz 13:2 für manche nicht so erschlagend ist, dass ihnen die Kinnlade herunterfällt. Die wollen immer noch über Zufall und Statistik reden. Gut, dann weiter: Richard David Precht, beliebter Volksphilosoph, hat seit 2012 ein eigenes Talkformat. Bilanz: 36 Gäste, davon 4 Frauen. Mehrere Jahre gänzlich ohne weibliche Gäste. Die nächsten Philosophen, Sloterdijk und Safranski, wurden 2012 zum Glück eingestellt. Bilanz: 66 Gäste, davon 8 Frauen.

Ich weiß schon, wir Frauen können nicht philosophieren, dazu haben wir zu viele Hormone, die unsere Gehirnwindungen stören. Angeblich telefonieren sich die Redaktionen den Hintern ab, um Absagen von Frauen zu kassieren, nur sind wir ja alle so öffentlichkeitsscheu und selbstkritisch. Aber vielleicht fragen sie auch einfach die falschen Frauen?

Von den Kritikern meiner Bilanz hörte ich sofort: Vielleicht war das ja nur diese eine Woche. (Reicht mir jemand ’ne Tröte gegen diese Langweiler?) Frauen wollten angeblich oft nicht. Zig kluge Frauen des öffentlichen Lebens, die ich kenne, wurden jedoch noch nie gefragt. Ich will hier nicht über die Qualität der Sendungen reden, sondern über den Raum, den diese von Millionen gesehenen Formate den Frauen und ihren Perspektiven bieten. Die Haltungen, die dieses öffentliche Verschwinden der weiblichen Perspektive forcieren.

Was hat #MeToo nun mit weiblicher Repräsentation zu tun? Ziemlich viel: Solange Frauen nicht als denkende, redende, selbstbewusste Subjekte öffentlich repräsentiert, sondern eher als leicht bekleidete Werbeträgerinnen für jedes noch so unnütze Produkt instrumentalisiert werden, so lange wird sich wenig daran ändern, dass viele meinen, Frauen liebten es, als halbnacktes Objekt im Einsatz für den Kapitalismus ihr Geld zu verdienen. Über die großen Fragen unserer Zeit zu sprechen, seien sie aber zu scheu.

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