Juso-Chef Kevin Kühnert: „Wir kämpfen weiter“

Der Jungsozialist Kevin Kühnert ist auf dem SPD-Parteitag mit seiner Forderung zwar gescheitert – doch er wirkt mit sich im Reinen.

Porträt von Kevin Kühnert, an einer Wand lehnend

Ein Linker unter den Sozialdemokraten: Kevin Kühnert Foto: dpa

BERLIN taz | Einen guten Politiker zeichnet aus, dass er im Kopf immer ein paar Schritte weiter ist. Eigentlich müsste der neue Juso-Chef Kevin Kühnert ja niedergeschlagen sein. Schließlich haben die Delegierten des SPD-Parteitages seine Forderung, die Große Koalition auszuschließen, erst einmal beerdigt.

Doch Kühnert, 28, blaues Hemd, ein Wirbel im blonden Haar, kaut am Freitag in einem sterilen Café im Berliner Messezentrum munter auf einem Käse-Baguette herum und wirkt sehr mit sich im Reinen. Ja, die Jusos hätten die Abstimmung verloren. „Das ist schade. Aber am Ende nicht entscheidend.“ Die Partei sei weiter weg von der Groko als noch vor einer Woche. Kühnert beißt nochmal ab. „Wir kämpfen weiter.“

Von Kevin Kühnert wird man noch einiges hören. Jung, schlau und redegewandt wurde er zum heimlichen Star des SPD-Parteitages – und zum Anführer der Revolte gegen eine neue Groko. Kühnerts Jusos trommeln seit Wochen gegen das Bündnis. Sie haben mit einer Online-Petition über 10.000 Unterstützer eingesammelt. Und Kühnert ist plötzlich der Gegenspieler von SPD-Chef Martin Schulz, der sich alles offen hält. Und eine Groko wohl nicht schlecht fände.

Kühnerts großer Auftritt kommt am Donnerstagmittag. Fünf Minuten, guter Puls, ruhige Stimme. „Die Erneuerung der SPD wird außerhalb einer großen Koalition sein oder sie wird nicht sein“, sagt er. Für die SPD gebe es eine Verantwortung, „dass noch etwas übrigbleibt von diesem Laden“. Präzise spricht er, wuchtig und schwungvoll. Viele der 600 Delegierten jubeln. So viel Leidenschaft hat Schulz in einer gut einstündigen Rede nicht entfacht.

Kontern können

Kühnert wächst in Berlin auf, seine Eltern sind Beamte, der Vater im Finanzamt, die Mutter im Jobcenter. Er tritt 2005 in die SPD ein, nach einem Schülerpraktikum im Kreisbüro des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. In diesem Jahr fliegt die Partei wegen Gerhard Schröders Agenda 2010 aus der Regierung. Er verstehe bis heute nicht, sagt Kühnert, warum es SPDlern so schwer falle zu sagen: Sorry, wir haben bei der Agenda Fehler gemacht. „Da bricht einem doch keinen Zacken aus der Krone.“

Gut zwei Jahre lang ist Kühnert Vizechef bei den Jusos und beschäftigt sich mit Steuern, Rente oder Migrationspolitik. Harter, komplexer Stoff. Als Linker, sagt er, werde man auf jedem Podium mit dem Klischee konfrontiert, Forderungen seien nicht bezahlbar. Da müsse man kontern können.

Die Jusos haben drei harte Forderungen. Sie wollen die Groko ausschließen. Oder, wenn das nicht klappt, nicht verhandelbare Inhalte festschreiben und einen Sonderparteitag vor Koalitionsverhandlungen. Die Debatte vor der Entscheidung mutet teils wirr an, wie eine ausgedehnte Therapiesitzung. In der Debatte versuchen Redner ihre Haltung zur Groko mit Erfahrungen in der Nazi-Zeit zu begründen. Das mit dem Antifaschismus finde er ein bisschen viel, sagt Kühnert kühl. Die Delegierten sollten einfach nach ihrem Gewissen entscheiden.

Lässig und souverän wirkt das, verglichen mit dem aufgeregten Sound seiner Vorredner. Trotzdem verlieren die Jusos. Die Delegierten lehnen ihren Antrag mit klarer Mehrheit ab. Nur der Sonderparteitag schafft es in den Leitantrag. Aber damit haben die Jusos einen neuen Hebel. Wenn Merkel der SPD in Sondierungen im Januar Kompromisse anbietet, bekommt Kühnert wieder eine Chance. Dann kann er sie als unzureichend geißeln – oder nochmal Rote Linien fordern.

Wunsch nach Transparenz

Allen in der SPD-Spitze sei klar, dass sie sich mit billigen Kompromissen nicht vor die Basis trauen könnten, sagt Kühnert in dem Café. Sein Eindruck vom Parteitag: „Die SPD hat etwas verklausuliert gesagt, dass sie die Groko nicht will. Die Skepsis ist riesig.“ Das Misstrauen der Basis gegenüber der Führung spielt den Jusos in die Karten. Wie groß der Wunsch nach Transparenz ist, wurde in diversen Reden deutlich.

Kühnert kalkuliert mit einer komplexen Rechnung: Kann die geschwächte Merkel der SPD so viele Erfolge gönnen, dass die SPD-Basis mitzieht? Andrea Nahles, die Fraktionschefin, ist eine der wichtigsten Groko-Befürworterinnen. Sie wirft den Jusos vor, Angst vor dem Regieren zu haben. Sie sagt im Deutschlandfunk, dass man in Verhandlungen nicht „mit einem riesen Rucksack von roten Linien“ gehe. „Dann kann man sich das mit den Verhandlungen auch sparen.“

Die SPD-Spitze, dafür spricht viel, will die Groko. Sie sagt es aber noch nicht offen, weil sie die Basis behutsam an den Gedanken gewöhnen will. Früher hat die SPD gemacht, was die Führung will. Auch wegen Kevin Kühnert ist das dieses Mal offen.

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