Kommentar von Svenja Bergt über das gesellschaftsverändernde Potenzial selbstfahrender Autos
: Letzte Chance für die Verkehrswende

Das Potenzial ist riesig. Sie könnten den Verkehr sicherer machen und die Unfallzahlen deutlich senken. Sie könnten, die richtigen politischen Anreize vorausgesetzt, das Privatauto überflüssig und unattraktiv machen, sodass auf den Straßen nur noch ein Bruchteil der Fahrzeuge unterwegs ist. Sie könnten so dem öffentlichen Raum seine Öffentlichkeit zurückgeben – statt Parkplätzen Parks, Wohnungen, Freiräume.

Allein, es sieht nicht danach aus, als würden die selbstfahrenden Autos das schaffen. Zumindest nicht in Deutschland. Und das liegt an der Industrie.

Denn die Automobilindustrie fährt mit dem aktuellen Modell des menschlichen Fahrers ziemlich gut. Ein Auto pro Person oder pro Haushalt, alle paar Jahre ein neues, ab und an eine Abwrackprämie, my car is my castle. Was könnte es Besseres geben, um das Ziel, möglichst viele Fahrzeuge zu verkaufen, zu erreichen?

Selbstfahrende Autos hingegen – was für eine Ungewissheit. Was, wenn die Menschen feststellen, dass es viel schneller und stressfreier ist, nicht selbst zu fahren? Wenn Fußgänger und Radfahrer merken, dass ein selbstfahrendes Auto zuverlässig am Zebrastreifen hält, statt im letzten Moment Gas zu geben, um noch schnell rüberzukommen? Wenn Städte und Kommunen darauf kommen, dass frei werdende Parkplätze und -häuser für den Bau von Wohngebäuden taugen und sich so der Mietmarkt entspannen ließe?

Das wäre für die Autoindustrie, die neben dem Verkaufen nicht viele andere Strategien hat, fatal. Dementsprechend bremst sie. Und deshalb gleiten in Kalifornien schon seit Jahren selbstfahrende Autos über die Highways, während man sich in Deutschland schon revolutionär fühlt, wenn mal ein selbstfahrender Bus über einen Campus rollt.

Dabei ist es ein Fehler aller Akteure – nicht nur der Industrie, sondern auch von Politik und Gesellschaft –, die autonomen Fahrzeuge als technologieverliebte Spinnerei abzutun. Man könnte sie auch ganz anders betrachten: Seit der Erfindung des Verbrennungsmotors und dem Verschwinden von Kutschen auf den Straßen war die Möglichkeit nicht so groß, eine Verkehrswende zu schaffen: weniger Fahrzeuge, Nutzen statt Besitzen, mehr öffentlicher Raum.

Aber das gilt nur, wenn Politik und Gesellschaft ein positives, menschenfreundliches Konzept für das autonome Fahren schaffen. Sonst macht die Industrie einfach ihr Ding. Und weniger Autos gibt es davon sicher nicht.

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