Kommentar linke Volkspartei: Lafontaines Feuerwerksrakete

Der frühere SPD-Vorsitzende weiß genau, dass er nicht zum Versöhner der Linken taugt. Lafontaines Vorschlag ist nicht nur deshalb eine Schnapsidee.

Lafontaine sitzt neben Gregor Gysi und klatscht

Müder Applaus für Lafontaines linke Sammlungsbewegung Foto: dpa

Manche Ideen haben die durchschnittliche Lebensdauer einer Feuerwerksrakete. Sie zischen und knallen, um dann schnell zu verglühen. Der neueste Vorschlag von Oskar Lafontaine gehört in diese Kategorie. Es brauche eine linke Sammlungsbewegung, sagt der Linkspartei-Mitgründer, „eine Art linke Volkspartei, in der sich Linke, Teile der Grünen und der SPD zusammentun“.

Dieser Vorschlag zielt auf eine knackige Schlagzeile, nicht auf realpolitische Umsetzung. Lafontaine, die Hassfigur der Sozialdemokratie, weiß selbst, dass er nicht zum Versöhner der deutschen Linken taugt. Sozialdemokraten unterstellen ihm bis heute, dass er die Linkspartei für einen persönlichen Rachefeldzug instrumentalisiert. Und eigentlich sagt er ja: SPD und Grüne müssen sich spalten, damit ihre genehm denkenden Reste auf dem heilbringenden Pfad der Linkspartei wandeln. Aber eine doppelte Spaltung im Mitte-links-Lager soll neue Stärke generieren?

Lafontaine spielt mit dem Mythos, dass das Neue in der ermatteten Par­teienlandschaft per se erfolgreich sei. In Frankreich versteht es Emmanuel Macron, politische Widersprüche zu vereinen. Sein Charisma überstrahlt, dass er linke und neoliberale Ansätze vertritt, die oft nicht zueinanderpassen. Wer aber wäre die oder der deutsche Macron?

Dass Lafontaine seine Ehefrau Sahra Wagenknecht für geeignet hält, ist evident. Aber erstens fehlt Wagenknecht der Charme des Neuen; sie gehört seit Jahren zum Personal der Berliner Republik. Zweitens ist die Vorstellung absurd, dass sich linksliberale Grüne oder Sozialdemokraten hinter der Wagenknecht’schen Flüchtlingspolitik versammeln könnten. Das wäre die Crux der neuen Möchtegernpartei: Sie zerfiele entlang nationalistischer Tendenzen, der ökologischen oder flüchtlingspolitischen Frage wieder in Flügel. Die Einigkeit wäre sofort vorbei.

Ja, linke Ideen sind in der Politik seit Jahren in der Defensive. Aber zu glauben, alte Rezepte und Protagonisten könnten diese traurige Entwicklung durch eine neue Partei stoppen, ist naiv.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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