Klimaschutz bei den Sondierungen: Kritik am Abschied von 2020

Union und SPD haben sich auf neue Klima-Maßnahmen geeinigt, das 2020-Ziel aber aufgegeben. Nun kommt Kritik von vielen Seiten.

Rauch und Dampf steigen am 07.12.2011 aus den Kühltürmen und Schornsteinen des RWE-Braunkohlekraftwerks Frimmersdorf bei Grevenbroich.

Erstmal raucht's weiter: Braunkohlekraftwerk Frimmersdorf Foto: dpa

Der Widerspruch steht gleich am Anfang: „Deutschland bekennt sich zu den beschlossenen Klimazielen für 2020 (–40 %)“, beginnt der erste Satz des Textes, auf den sich CDU/CSU und SPD bei den Sondierungen zu einer neuen Großen Koalition am Montag geeinigt haben. Und gleich der dritte Satz heißt: „Das kurzfristige Ziel für 2020 wird aus heutiger Sicht nicht erreicht werden.“ Dass sich eine potenzielle neue Bundesregierung damit zu einem Ziel bekennt, das sie für nicht erreichbar hält, verteidigen vor allem SPD-Politiker damit, man müsse sich „ehrlich machen“. Opposition und Umweltgruppen dagegen werfen den Sondierern vor, die Klimapolitik zu torpedieren.

Das dreiseitige Papier verspricht Maßnahmen, um die Lücke zwischen den 40 Prozent Reduktion der jährlichen Treibhausgasemissionen Deutschlands im Vergleich zum Jahr 1990 und der Wirklichkeit „so weit wie möglich“ und „am Anfang der 2020er Jahre“ zu schließen. Dazu gehört eine Kommission, die bis Ende 2018 Pläne vorlegen soll, um möglichst nahe an das 40-Prozent-Ziel zu kommen, das 2030-Ziel (minus 55 Prozent) für den Energiesektor zu planen und einen Plan und ein Datum für den Kohleausstieg festzulegen. Das soll finanziell mit einem Fonds aus Bundesmitteln abgesichert werden. Erstmals soll 2019 ein Klimaschutzgesetz verabschiedet werden, das auch den Verkehr und die Gebäude einschließt.

Die Einigung sieht weiter vor, den Anteil der Erneuerbaren am Strommix bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern. Bisher waren für 2035 höchstens 60 Prozent geplant. Um noch vor 2020 etwa 10 Millionen Tonnen CO2 zu sparen, sollen zusätzliche Wind- und Solarparks mit einer Kapazität von insgesamt 8 Gigawatt entstehen. Die Stromsteuer soll gesenkt werden und die EEG-Umlage durch einen staatlichen Fonds entlastet werden. Im Umweltschutz soll ein neuer Fonds das „Nationale Naturerbe“ besser ausstatten und ein „Aktionsprogramm Insektenschutz“ die Lebensräume für diese Tiere verbessern. Was in dem Text fehlt, ist jeder Hinweis auf einen all­gemeinen Preis auf Kohlendioxid oder auf einen CO2-Mindestpreis im EU-Emissionshandel.

Weil die Sondierungsparteien Stillschweigen vereinbart haben, waren offizielle Reaktionen der Beteiligten schwer zu bekommen. SPD-Klimapolitiker Frank Schwabe kommentierte auf Twitter, „das Ziel zu streichen ist hart, aber alles andere wäre Augenwischerei. Die Umsetzung des Klimaziels ist in den letzten zehn Jahren gescheitert, nicht jetzt.“

Knapp bemessene Zeit

Intern hieß es von SPD-Seite, die Zeit für die Erreichung des Klimaziels von 2020 sei schlicht zu knapp. Durch die Verzögerungen in der Koalitionsbildung – aber natürlich auch durch das langsame Handeln aller Regierungen seit der Erklärung des 40-Prozent-Ziels im Jahr 2007 – hieße harter Klimaschutz nun die erzwungene Abschaltung von Kraftwerken und „5.000 bis 6.000 Arbeitslose“.

Die Kritiker fordern die schnelle Abschaltung der dreckigsten Kohlekraftwerke

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter widersprach ebenso wie die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Forschungsinstitut DIW der Meinung, das Klimaziel sei ohnehin nicht zu halten. „Schwierig, aber machbar“ sei das Ziel, man müsse aber schnell die dreckigsten Kraftwerke abschalten.

Genau darum hatten die Grünen zuvor bei den Verhandlungen um eine Jamaika-Koalition mit Union und FDP erfolgreich gekämpft: Der zuletzt erreichte Zwischenstand sah eine kurzfristige Abschaltung von Kohlekraftwerken mit einer Kapazität von 7 Gigawatt vor. Auch damit wäre die Lücke zum Erreichen des 2020-Ziels aber nicht einmal zur Hälfte geschlossen worden. Dass die übrigen angekündigten Maßnahmen etwas im Verkehrs- und Gebäudesektor kurzfristig gewirkt hätten, war damals von Umweltverbänden bezweifelt worden.

Dass das 2020-Ziel nun von den Groko-Sondierern komplett aufgegeben wird, stieß bei den Verbänden auf scharfe Kritik. „Die Parteispitzen müssen diesen Kurs korrigieren, sonst opfern sie den deutschen Klimaschutz auf dem Altar der Kohlelobby und untergraben die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimapolitik“, erklärte der BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger und erinnerte daran, dass sowohl die CDU-Vorsitzende Angela Merkel als auch SPD-Chef Martin Schulz kürzlich noch das Einhalten des 2020-Ziels versprochen hatten.

Für den WWF erklärte Klimaexperte Michael Schäfer: „Noch können wir das Klimaziel 2020 erreichen. Dafür müssen wir noch in diesem Jahr die entsprechenden Maßnahmen umsetzen – inklusive Einstieg in den Kohleausstieg.“ Dieser dürfe nicht in die geplante Kommission abgeschoben werden.

Kritik kam auch aus Reihen der Union. CSU-Innenexperte Stephan Mayer sagte im TV-Sender Phoenix: „Politische Verantwortungsträger müssen sich ehrgeizige Ziele setzen und dann auch daran festhalten.“ Er hoffe, die Einigung sei noch nicht das letzte Wort.

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