Zweitklassig ohne Hukou

Hua Yong dokumentiert die Vertreibung von Wanderarbeitern durch Pekinger Behörden

Das Hukou-Registrierungs-System bindet alle an ihren Geburtsort

Von Felix Lee

Hua Yong ist ein in Peking etablierter Künstler, genau genommen aber auch ein Wanderarbeiter. Geboren und aufgewachsen in der chinesischen Provinzstadt Yingkou, lebt der 48-Jährige schon seit geraumer Zeit in der Hauptstadt, besitzt eine Wohnung, verdient gut und hat sich in der Kunstszene einen Namen gemacht.

So wie viele Bauarbeiter und Handwerker, aber auch Anwältinnen und IT-Ingenieure verfügt Hua Yong jedoch über keinen „Hukou“. Jenes veraltete, aber weiter existierende Wohnregistrierungssystem bindet alle Bürger an einen Ort, meist den, an dem sie oder die Eltern geboren sind. Soziale Leistungen wie Krankenversorgung und Schulbesuch der Kinder, wie sie allen zustehen, bleiben Pekingern ohne Wohnregistrierung verwehrt. Eine Ummeldung ist kaum möglich. Wanderarbeiter werden wie Menschen zweiter Klasse behandelt.

Hua Yong fühlte sich nicht benachteiligt. Er hat den Aufstieg schließlich geschafft. Doch seitdem die Stadtregierung Mitte November einen Brand in einer Wanderarbeiterunterkunft mit 18 Toten zum Anlass genommen hat, ganze Viertel wegen angeblich mangelndem Brandschutz abzureißen, und Zehntausende von WanderarbeiterInnen vertrieben wurden, veröffentlicht Hua Yong aus Solidarität mit den Betroffenen im Internet Videos, in denen er Abrissaktionen und rabiate Vertreibung dokumentiert. Die Aufnahmen zeigen, wie Uniformierte Straßen absperren und Bewohner auffordern, die Häuser zu verlassen. Kurze Zeit später rollen Bagger an. „Die Regierung hat uns in die Kälte gesetzt“, beklagt sich eine Wanderarbeiterin in einer Aufnahme.

Die Logik der Stadtregierung thematisiert der Künstler in den Videos ebenfalls. Aus Sicht der Parteikader ist Peking mit 23 Millionen Einwohnern überbevölkert. Sie will die Anzahl unter 20 Millionen drücken. Yongs Videos wurden im Netz zehntausendfach geklickt, Eine Reaktion der Behörden ließ nicht lange auf sich warten. Vergangene Woche erfuhr Yong, dass nach ihm gefahndet wird, und tauchte ab. Freunde berichten, dass er am Wochenende festgenommen wurde, am Montag aber gegen eine Kaution wieder freikam. Ihm werde vorgeworfen, „auf kriminelle Weise eine Menschenansammlung herbeigeführt zu haben, um den Verkehr zu stören“.

Mit einer Kunstaktion auf dem Tiananmen-Platz gedachte Yong 2012 an die Niederschlagung der Demokratieproteste von 1989. Dafür kam er für 15 Monate ins Umerziehungslager. Eine Pekinger Wohnregistrierung hätte ihn davon nicht verschont. Geht es um Repression, macht die KP-Führung keinen Unterschied, ob Wanderarbeiter oder nicht.