Kolumne Wir retten die Welt: Irren ist menschlich. Aber gefährlich

Die Weisen aus dem Morgenland haben ein hartes Jahr hinter sich. Wer für Wissenschaft und Fakten steht, legt sich heute mit so ziemlich allen an.

Ein Kamel am Dreikönigstag

Wichtiges Transportmittel der Aufklärung: Das Kamel Foto: dpa

Weihnachten ist bei uns immer ganz friedlich. Debattiert wird nur, ob die drei Weisen mit Pferd und Kamel schon Heiligabend an der Krippe sein dürfen. Nein, sagen die Puristen, die kommen erst am 6. Januar. Na klar, sagen die Liberalen unter uns, stell sie doch dazu! Meist stehen sie dann draußen, aber in Sichtweite.

Sie hatten ein mühseliges Jahr. Die Weisen, auch bekannt als die Heiligen Drei Könige, stehen ja für die Wissenschaft. Sterndeuter, Gelehrte, Forscher. Solche Menschen haben es derzeit schwer. Ganz besonders im angeblich christlichen Amerika. Die US-Regierung streicht Gelder für Forschung, hält Experten von Konferenzen fern, entfernt unliebsame Forscher, setzt ihnen verbohrte Chefs vor die Nase und löscht Daten und Studien etwa zum Klimawandel.

Aber der Krieg gegen alles, was Wissen schafft, ist nicht auf Trump beschränkt. In der Türkei landen Lehrer und Professoren im Knast, an den Schulen verschwindet Darwins Evolutionslehre hinter dem Koran. In Ungarn will der Staat eine unbequeme Universität schließen.

Was die Herrschenden stört, ist die Skepsis

Und auch in Deutschland verzapfen inzwischen viele ungeniert Blödsinn. In der CDU/CSU formieren sich die Energiewende-Gegner mit dünnen Argumenten, bei den Grünen sammeln sich die Impfgegner. Die Groko im VW-Untersuchungsausschuss behauptete gegen den Widerspruch der Experten, es gebe keine Gesundheitsprobleme mit Stickoxiden. Und die AfD hat Fake News ohnehin zum Konzept erhoben.

Was die Herrschenden am meisten stört, ist die wissenschaftliche Skepsis. Also nicht nur die bewiesenen Fakten, die ihnen im Wege stehen. Sondern der Ansatz guter Wissenschaft: „Ich könnte mich irren.“ Denn die Trumps, Erdoğans und Gaulands können es nicht ertragen, sich der rationalen Debatte zu öffnen und ihre Entscheidungen mit nachprüfbaren Fakten zu rechtfertigen. Angegriffen werden Forscher aber nur, wenn sie die Macht von Politik, Religion oder Wirtschaft gefährden. Kein Despot hat etwas gegen ein Krebsmittel oder gegen Hightech-Waffen.

Die Weisen hätten also 2018 mal eine Atempause verdient. Aber das ist wohl nur ein frommer Wunsch. Denn erst mal steht das Dreikönigstreffen der FDP vor der Tür. Genau, dieselbe FDP, die sich beim Thema Umwelt/Energie losgelöst von Fakten und Daten durch die Jamaika-Sondierung fabulierte. Da könnten wir jetzt spekulieren, wie den Wissenschaftlern aus dem Morgenland bei so viel liberaler Bildungsfeindlichkeit die Haare zu Berge stehen. Aber das lassen wir lieber. Wir könnten uns ja irren.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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