Gentrifizierung in Berlin: Das Clubsterben geht weiter

Früher sorgten oft Lärmbeschwerden für die Verdrängung von Clubs. Heute sind es eher Investoren, die mehr Miete verlangen.

Es geht wenig über ein gepflegtes Clubkonzert: Auftritt der Sängerin Anna F. im Privatclub 2014 Foto: dpa

Das Gesicht, das Katja Lucker am Montagvormittag im Privatclub macht, könnte man als einigermaßen ratlos beschreiben. Katja Lucker ist Musikbeauftragte des Landes Berlin, fördert als Leiterin des Musicboards Berlin Musiker und popmusikalische Projekte in der Hauptstadt. Neben ihr sitzt der Sprecher der Clubcommission Lutz Leichsenring, einem Netzwerk der Berliner Clubszene – und Norbert Jackschenties, der 1998 den Privatclub in der Markthalle Neun gründete.

Der Privatclub ist eine Institution des Berliner Nachtlebens, hier traten die Beatsteaks und Wir Sind Helden auf, bevor sie noch einen Plattenvertrag hatten. Heute aber sitzen Jackschenties, Lucker und Leichsenring hier zusammen, weil es den Privatclub, der inzwischen im alten Postamt in der Skalitzer Straße residiert, bald nicht mehr geben könnte.

Die Ratlosigkeit, die über der ganzen Veranstaltung liegt, begründet sich so: Bislang zahlte Norbert Jackschenties vom Privatclub 11 Euro pro Quadratmeter Miete. Der neue Besitzer des Postamts, Marc Samwer (Rocket Internet), möchte das Doppelte. Obwohl Jackschenties 15 Euro geboten hat, soll er raus. Und zwar, falls das rechtlich überhaupt geht, noch vor Ablauf des Mietvertrags 2022. Denn seit letzten Jahr ist ein Start-up über dem Privatclub eingezogen. Den Mitarbeitern, so der neue Besitzer, sei es zu laut.

Einschränkung der Konzerte verlangt

Der Club Gegründet 1998 im Keller der Markthalle Neun in Kreuzberg, befindet sich der Privatclub heute im alten Postamt in der Skalitzer Straße 85–86. Konzerttermine auf privatclub-berlin.de. (sm)

Als Jackschenties seinen Club vor fünf Jahren am neuen Standort im alten Postamt mit viel Liebe und Eigenkapital einrichtete, da sorgte er natürlich auch für den Lärmschutz – zumindest den nach draußen und zum Treppenhaus hin. Nach oben hin sei damals kein Lärmschutz nötig gewesen, erzählt er auf dem Podium, denn diese Etage habe die ganze Zeit über leer gestanden.

Dann habe Samwer das Postamt gekauft und renoviert, offenbar aber nicht für Lärmschutz gesorgt. Nun verlange man die Einschränkung auf zwei Konzerte pro Woche und Soundchecks erst ab 17 Uhr – eine Maßnahme, die dem Club sicher das Genick brechen würde.

Nicht nur der clubpolitische Sprecher des Berliner Abgeordnetenhauses Georg Kössler (Grüne) vermutet, dass die Lärmbeschwerden nur vorgeschoben sein können. Denn leider ist nur allzu wahrscheinlich, dass es hier einfach um höhere Renditen geht. Ebenso offensichtlich ist auch, dass das Clubsterben damit eine neue Eskalationsstufe erreicht hat. Denn nicht nur der Privatclub sorgte in den letzten Wochen für Schlagzeilen.

So hat gerade das Watergate eine Verdopplung der Miete geschluckt – wer weiß, ob der Club das wird verkraften können. Das Jonny Knüppel auf der Lohmühleninsel kämpft derzeit mit einer Crowdfunding-Kampagne für Lärmschutzmaßnahmen gegen das Ende. Und gerade wurde bekannt, dass der Bassy Club an der Schönhauser Allee zum Sommer schließen wird.

Die Politik hat kaum Hebel

Als vor knapp zehn Jahren das Clubsterben begann, waren oft private Lärmbeschwerden von Anwohnern der Grund. Inzwischen hat die Verdrängung andere Ursachen: Es sind eher Investoren, die mehr Miete verlangen – und mit denen es noch viel schwieriger ist, überhaupt nur in Kontakt zu treten.

Die Strategie der Gewinnmaximierung von Marc, Oliver und Alexander Samwer wird schon länger als zu aggressiv kritisiert. Letztes Frühjahr wurde bekannt, dass Zalando ausgerechnet auf die Cuvry-Brache ziehen wird – ein Teil der Zalando-Aktien gehört nach wie vor den Samwers. Wenige Monate später drang durch, dass die Samwers die Uferhallen in Wedding erstanden haben.

Doch bislang hat schlechte Presse eher wenig daran geändert, wie in dieser Stadt investiert wird. Auch die Berliner Politik hat kaum Hebel: Ein soziales Gewerbemietrecht könnte nur auf Bundesebene entschieden werden – außerdem ist fraglich, inwieweit privatwirtschaftliche Unternehmen wie Clubs davon profitieren könnten. Bleibt also nur der Appell. Und wie wirkungslos Appelle sein können, das erzählt Norbert Jackschenties vom Privatclub ebenfalls am Montagvormittag.

Jackschenties hat Marc Samwer ausrichten lassen, warum er nicht so viel Geld aufbringen kann. Dass im Privatclub unbekannte Bands zu entdecken sind, die nicht immer für großen Andrang sorgen. Dass er die Eintrittsgelder nicht erhöhen kann, wenn er sein Stammpublikum nicht vergraulen will.

Die Antwort sei immer dieselbe geblieben: „Das ist nicht unser Problem.“

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