Kritische Nachfragen unerwünscht

In Hamburg droht ein Gutachter einem Bürger mit Strafe, weil der in einem öffentlichen Planungsausschuss Zweifel an seinen Ergebnissen anmeldete. Ein Umweltverband spricht von einem Einschüchterungsversuch mit weitreichenden Folgen

Maul halten: Ginge es nach empfindlichen Ausschuss-Beteiligen, sollten kritische Bürger am besten nichts fragen Foto: Kay Nietfeld/ dpa

Von Gernot Knödler

Als Wolfgang Trede am 15. Dezember seine Post durchsieht und darin ein Anwaltsschreiben findet, staunt er nicht schlecht. Noch mehr irritiert ihn die Rechnung über 492,54 Euro und die Androhung einer Strafanzeige. Dies ist die Reaktion eines Gutachters, dem Trede im Planungsausschuss des Hamburger Bezirks Wandsbek am 5. Dezember kritische Fragen stellte. Die Antwort des Gutachters folgte sieben Tage später: eine strafbewehrte Unterlassungserklärung per Post. „Das hat mich total geschockt“, sagt Wolfgang Trede, der sich im Rahmen der Bürgerinitiative Rahlstedt131 gegen ein länderübergreifendes Gewerbegebiet im Hamburger Osten wehrt.

Rückendeckung bekommt Trede vom Hamburger Landschafts- und Klimaschutzverband (HLKV), in dem er selbst Mitglied ist: Das Vorgehen des Gutachters habe weitreichende und sehr negative Konsequenzen für die gesetzlich vorgesehene Beteiligung der Bürger an öffentlichen Planungsprozessen. „Wenn bereits das kritische Hinterfragen des Ergebnisses eines Gutachtens oder seiner Methodik juristische Folgen haben kann, wird eine Bürgerbeteiligung faktisch unterbunden“, kritisiert der Verband. Letztlich handele es sich einen Einschüchterungsversuch.

Behandelt wurde bei der Sitzung Anfang Dezember vergangenen Jahres ein Verkehrsgutachten des Hamburger Ingenieurbüros BKP. Dessen Inhaber Wolfgang Bielke hatte untersucht, wie sich das geplante Gewerbegebiet auf die Straße Wiesenredder auswirken würde, in der Trede wohnt. Der Anwohner Trede unterstellte dem Ingenieur Bielke, unseriös gezählt und mit falschen Basisdaten operiert zu haben. Dem Planungsausschuss legt Trede nahe, Bielkes Büro BKP „aus diesem Verfahren abzuziehen“. Das schrieb er auch in einer E-Mail, auf die Bielkes Anwalt verweist.

Tredes Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage, schreibt der Anwalt. Er habe wider besseres Wissen eine unwahre Tatsache über seinen Mandaten behauptet und verbreitet, die dessen Ansehen gefährde. Außerdem stehe es Trede nicht zu, „dem Planungsausschuss nahezulegen, das Büro unseres Mandanten aus dem hier in Rede stehenden Verfahren abzuziehen und dies mit einer Dreistigkeit und dann noch mit Unterstellungen und Behauptungen, wie sie in ihrer vorgenannten Mail aufgelistet sind“.

Ihm liege es fern, Leute einzuschüchtern, rechtfertigt sich Bielke. Trede habe ihn jedoch persönlich angegriffen – und er habe als Person reagiert. Die Unterlassungserklärung habe er nur gefordert, „damit Herr Trede mal weiß, dass man so miteinander nicht umgehen kann“, sagt Bielke.

Seit nahezu 40 Jahren sei er im Geschäft, sagt der Ingenieur. „Es ist das erste Mal, dass ich so etwas gemacht habe.“ Er habe es aber nicht zulassen können, dass Falschmeldungen über ihn verbreitet würden und ihm gedroht werde, dass er nicht mehr arbeiten dürfe. Trede müsse akzeptieren, dass er als Gutachter eine andere Sicht auf die Dinge habe als er selbst. Seine Arbeit sei in öffentlichen Portalen nachprüfbar.

„Ein Bürger, der in politischen Versammlungen seine Meinung zu Sachverhalten äußert, hat nicht immer das passende Vokabular, welches hier üblich ist und erwartet wird, parat“, räumt Tredes Umweltverband HLKV ein. Trotzdem müsse es ihm erlaubt sein, sein Anliegen „auch in vielleicht sprachlich unbeholfener Weise vortragen zu können“. Dafür gebühre ihm ein gewisser Schutz. Auf Tredes Bitte um Stellungnahme reagierten die Mitglieder des Wandsbeker Planungsausschusses nicht.

„Ein Bürger, der in einer politischen Versammlung seine Meinung äußert, hat nicht immer das passende Vokabular parat“

Hamburger Landschafts- und Klimaschutzverband

Auch der taz gegenüber möchte sich der Ausschussvorsitzende Frank Rieken (SPD) nicht äußern. Der stellvertretende Vorsitzende Gisbert Gürth von der CDU schildert die Sitzung als kontrovers. „Aber ein Bürger hat das Recht, das infrage zu stellen.“ Sicher sei der Ton der Bürger in den Fragerunden manchmal etwas rauer. „In dem Augenblick, in dem das beleidigend wirken würde, würden wir eingreifen“, sagt der stellvertretende Auschussvorsitzende. Das sei aber nicht nötig gewesen.

Die Reaktion des Gutachters könne er in gewisser Weise nachvollziehen, sagt Oliver Schweim, Ausschussmitglied der Grünen. Trotzdem finde er das persönlich etwas unglücklich. „Das hätte ich auch schon mit Abmahnungen reagieren können“, erinnert er sich. „Da muss man als Demokrat ein Stück weit drüber stehen.“ Letztlich sei das aber ein privater Streit zwischen Trede und Bielke.

Ein Streit, der sich zumindest juristisch mittlerweile erledigt hat. Bielkes Vorwürfe seien unsubstantiiert und gar nicht justiziabel gewesen, behauptet Niels Hanßen vom HLKV. Trede konterte die geforderte Unterlassungserklärung mit der Drohung, eine negative Feststellungsklage einzureichen. „Dann muss der Andere die Beweise vorlegen“, sagt Hanßen vom HLKV. Bielke lässt die Sache jetzt auf sich beruhen.