Kolumne Nullen und Einsen: Dumm gelaufen

Wo herrscht mehr Digitalkompetenz: Im Mekongdelta, am Potsdamer Platz oder auf einem US-Militärstützpunkt im syrischen Kriegsgebiet?

Eine schwarze Weltkarte mit hellen Hervorhebungen

Hell und dunkel: die Heatmap der Aktivitäten mit der App „Strava“ Screenshot: Strava

An den Zustand des Digitalstandorts Deutschland wurde ich zuletzt im Mekongdelta erinnert. Ich war im Urlaub in Vietnam und hatte mir vor Ort eine Handy-SIM-Karte für billige Inlandtelefonate gekauft. Damit hatte ich auch mobiles Internet in bester Geschwindigkeit, und zwar so gut wie überall – ja, auch auf den Busfahrten durch ländlichere Regionen. Kein Brandenburg-Effekt, nirgends. Gelobtes Vietnam!

Zurück in Berlin am Potsdamer Platz lief das mobile Internet auf einmal nur noch im Schneckentempo. Aber, hey: Das ist ja auch nur ein zentraler Ort in der Hauptstadt einer sich selbst als hochentwickelt verstehenden Industrienation. Kann schon passieren.

Immerhin, Besserung ist in Sicht. CDU-Fraktionschef Volker Kauder hat das Problem nämlich erkannt und in einem Gastbeitrag in der aktuellen Welt am Sonntag erklärt: „Die Digitalisierung ist für mich das Megathema der kommenden Jahre.“ Und nicht nur das, er will einen „nationalen Digitalrat“ einrichten.

Dabei ist der Digitalisierungsgrad der Deutschen so hoch wie noch nie, das ergibt jedenfalls der frisch erschienene „Digital-Index“ der Initiative D21. Im Vergleich zum Vorjahr stieg er von 51 auf 53 Punkte – von 100 allerdings. Ebenfalls für den Digital-Index abgefragt wurde eine Selbsteinschätzung der digitalen Kompetenz der Deutschen in diversen Bereichen. So gaben 41 Prozent an, über keine oder nur eine niedrige Kompetenz bei der Durchführung von Onlineüberweisungen zu verfügen. Noch höher waren die Werte etwa bei der „Beachtung von Suchtreffern über die erste Seite hinaus“ (51) oder beim „regelmäßigen Passwortwechsel“ (57).

Bei der Frage nach dem „Bewusstsein, dass Dienste/Apps Daten weitergeben“, bescheinigten sich immerhin 50 Prozent eine „hohe“ Kompetenz. Und das bringt uns zu Strava. Strava ist eine der zahlreichen Apps, mit der man seine Jogging- und Fahrradstrecken aufzeichnen kann, um damit auf Facebook anzugeben, oder um sie mit anderen Nutzern zu vergleichen. Aus den über die Jahre gesammelten Daten haben die Strava-Betreiber auch eine Weltkarte gebaut: Je heller hier eine Straße angezeigt wird, desto mehr Aktivität. Während Europa oder Japan sehr hell erscheinen, gibt es in Ländern wie Mali oder Syrien nur vereinzelte weiße Flecken.

Ein australischer Student hat sich die genauer angeschaut und festgestellt: Was da her­aussticht, das sind oft westliche Militärbasen, zum Teil an geheimen Standorten. Die dort stationierten Soldaten haben Strava genutzt, aber nicht die (durchaus vorhandene) Möglichkeit, die Läufe nichtöffentlich zu stellen. Dumm gelaufen, wortwörtlich.

Das Mekongdelta ist auf der Heatmap übrigens ein relativ dunkler Ort. Zu Zeiten des Vietnamkriegs hatte das US-Militär dort mehrere Stützpunkte. Hätte es damals schon Strava gegeben, die Vereinigten Staaten hätten den Vietnamkrieg wohl noch krachender verloren.

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Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.

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