Forderung ostdeutscher Regierungschefs: „Für Abbau der Russlandsanktionen“

Ostdeutsche Ministerpräsidenten bitten die Kanzlerin um einen Embargo-Stopp. Die Wirtschaft ihrer Bundesländer träfen die Sanktionen besonders hart.

Manuela Schwesig, Bodo Ramelow, Reiner Haselhoff und Michael Kretschmer an einem Tisch

Manuela Schwesig (v. l.), Bodo Ramelow, Reiner Haselhoff und Michael Kretschmer an einem Tisch Foto: dpa

BERLIN taz | Frank Soßnowski hat genug von den Sanktionen. Der Geschäftsmann führt ein Logistikunternehmen auf Rügen, er übernimmt Transporte innerhalb der Ostseeinsel genauso wie Speditionsaufträge nach Osteuropa. Sein Umsatz mit Russlandgeschäften ist seit 2014 um rund 60 Prozent eingebrochen. Verkraften kann er das nur, weil er seinen Betrieb schon vorher breit aufgestellt hat. „Die Sanktionen funktionieren nicht und schaden uns nur selbst“, sagt Soßnowski, der noch aus DDR-Zeiten fließend russisch spricht. „Gut, dass sich endlich auch ein Teil der Politiker darüber Gedanken macht.“

Der Unternehmer meint die Regierungschefs der ostdeutschen Bundesländer. Diese haben sich am Montag in Berlin getroffen und unter anderem über die deutsche Russlandpolitik gesprochen. „Wir sind ganz klar für den Abbau der Sanktionen“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) im Anschluss. Die Sanktionen träfen die ostdeutsche Wirtschaft viel stärker als westdeutsche Unternehmen. Wenn sich die Regierungschefs im April zu ihrer jährlichen Ostkonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel treffen, wollen sie bei ihr für das Anliegen werben.

Wegen der Annexion der Krim und des Kriegs in der Ost­ukraine hatte die EU im Jahr 2014 Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt, der Kreml reagierte mit einem Gegenembargo. Einer aktuellen Berechnung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zufolge entgehen deutschen Unternehmen seitdem Exportgewinne von 727 Millionen US-Dollar pro Monat. Wegen historisch gewachsener Bindungen entfällt tatsächlich ein Großteil davon auf die Wirtschaft im Osten.

Anders als bei den Ministerpräsidenten stehen die Sanktionen auf Bundesebene allerdings nicht zur Debatte. Der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen, der in den laufenden Koalitionsgesprächen in der Arbeitsgruppe Außenpolitik mitverhandelt, findet die Forderung aus dem Osten „grundlegend falsch“. Er sagte der taz: „Die Sanktionen, die gegen Russland verhängt wurden, sind politisch höchst wirksam. Sie ohne Änderungen des russischen Verhaltens aufzuheben, wäre ein Fehler und würde den russischen Präsidenten in seinem Vorgehen bestärken.“ Wladimir Putin wolle seinen Machtbereich über die russischen Grenzen hinaus ausweiten. Sinn der Sanktionen sei es, ihm die Anerkennung dafür zu verweigern.

Sein SPD-Kollege Rolf Mützenich bezeichnet die Forderung der Ministerpräsidenten zwar als „wichtig und bedenkenswert“. Ihm zufolge sind die Sanktionen Thema in den Koalitionsverhandlungen. Er sagt aber auch: „Die Frage nach einer Lockerung oder Aufhebung der Sanktionen ist abhängig von Fortschritten bei den Minsker Vereinbarungen und der Sicherung einer überprüfbaren Waffenruhe in der Ostukraine.“ Änderungen sollten zudem nicht national, sondern nur in Absprache mit den europäischen Partnern erfolgen.

Auf EU-Ebene müssen die Sanktionen alle sechs Monate verlängert werden. Das bislang letzte Mal stimmten die Staats- und Regierungschefs im De­zember dafür, die nächste Entscheidung steht also im Sommer an.

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