Dystopische Sounds in 4-D

Wirklich Zukunftsmusik beim CTM: Im Monom-Studio im Funkhaus sind Gaika, TCF und IOANN zu hören

Von Natalie Mayroth

Wie kann man das Berliner Publikum noch beeindrucken, wenn man ein Festival für zeitgenössische Musik veranstaltet? Mit Avantgarde und Technik zum Beispiel. Erst im Dezember hatte das Monom im Funkhaus eine Mischung aus Tonstudio und Konzertvenue – mit einem der weltweit zwei existierenden 4-D-Soundanlagen – eröffnet, und schon war es zu einer der neuen CTM-Spielstätten geworden, wie ebenfalls der neue Club Ost, ehemals Magdalena.

Doch tatsächlich waren Monom-Mitgründerin Gratia Napier und CTM-Kurator Remco Schuurbiers bereits 2015 auf dem TodaysArt-Festival im Gespräch. Am Dienstagabend wurde die erste der vier Kooperationen von „Transcend the Turmoil“ (Überwinde den Aufruhr) aufgeführt. Das Studio des Berliner Zen­trums für Raumklang ist durch 16 Metallgittersäulen, die aus dem Boden ragen und mit je drei Lautsprechern versehen sind, quadratisch aufgeteilt.

Unter dem akustisch durchlässigen Gitterboden befinden sich zusätzlich neun Bassboxen, optimiert für tieffrequente Schallwellen. Diese Spielwiese findet sich auch auf dem Bildschirm der performenden Künstler wieder, mit dessen Hilfe nicht nur im virtuellen Raum Klanggebilde bewegt werden können: Geräusche können damit von oben nach unten, von rechts nach links und in kreisförmiger Anordnung wandern. Es ist der Versuch, Räumlichkeit wahrzunehmen, sie als Medium zu erforschen. In diesem Sinne handelt es sich nicht um Stereo, sondern um räumlichen Klang.

Den Anfang des Abends machte ­IOANN, das Künstlerprojekt von Ivan Sapozhkov. Als Artist in Residence am kooperierenden Spatial Sound Institute in Budapest, die eine ähnliche 4-D-Sound-Einrichtung haben, erforscht er die Wahrnehmung multidimensionaler Klangstrukturen. Im Monom zeigt er die Improvisation „Imagining the Hyperspace“, an der er seit zwei Jahren arbeitet und die an Noise, Drone-Music, Zischen wie von dumpfen Raketen, aufheulende Sirenen und Helikoptergeräusche erinnert. Dafür bewegte sich der Künstler durch den Raum, das iPad mit der Musiksoftware in der Hand, um die Sounderfahrung mit den BesucherInnen zu teilen.

„Was wir gehört haben, ist erst der Anfang“, sagte er. Sapozhkov sieht in 4-D die Zukunft, die sich mit anderen neuen Technologien zu einer erweiterten Realität (Advanced Reality) steigern lässt. Die geometrischen Klangformen, die sich physisch im dreidimensionalen Raum bewegten, waren bei dem norwegischen Musiker TCF alias Lars Holdhus als ähnlich düstere Störgeräusche zu vernehmen. Diese wurden beim dritten Konzert des Abends durch melodischere Klänge gelockert.

Kontrast brachte die Performance des britischen Sängers und Produzenten Gaika Tavares, der in der Mitte des Kubus, vor ihm Mikro, Computer, Synthesizer, stand – dicht umringt von Festivalbesuchern. Ihre Kostüme passten zu der düsteren Stimmung. Mit Autotune-verzerrter Stimme und Loops setzte Gaika zu „The Spectacular Empire pt ll“, seinem aktuellen Projekt, an. Trap-Elemente, Gesang und Sprechgesang überlagerten sich, während er eine für ihn mögliche Zukunft besang, in der Londons Bürger sich gegen Autoritäten und systemische Ungerechtigkeit wehren und zu zivilem Ungehorsam und wütenden Demonstrationen übergehen. Eine Dystopie, die er im gleichnamigen Essay bis zum Szenario eines dritten Weltkriegs treibt.

Auf den Bildschirmen flimmerten dazu die Visuals aus dem Video zu „Battalion“. Gaika beschrieb sein Gefühl nach dem Konzert, es sei ähnlich, wie in einer Kirche aufzutreten, was die Intimität und den Widerhall des Klangkörpers angeht. „Es ist, wie sein Selbstporträt auf einer Kontaktlinse zu tragen“, sagte er erschöpft nach der Performance. Beim dritten Teil könnte man sich nicht mehr zwischen einzelnen Klängen hindurchbewegen, zu gespannt war das Publikum, was es bei Gaika erwarten würde.

Was blieb, war, die Augen zu schließen und die Musik auf sich wirken zu lassen.

Weitere Vorstellungen: IOANN mit „Imagining the Hyperspace“, sowie Pan Daijing und Fis sind am Donnerstag (1. 2.) und Freitag (2. 2.) ab 19 Uhr in der Monom-CTM-Kooperation in der Nalepastraße 18 zu erleben