Wahl in Costa Rica: Konservative Mobilmachung

Die Ehe für alle ist das wichtigste Wahlkampfhema in Costa Rica. Grund dafür ist ein Urteil des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes.

Menschen stehen jubelnd entlang einer Strasse, sie halten ein blau-gelbes Transparent und blau-gelbe Fahnen hoch

Fabricio Alvarado, der die gleichgeschlechtliche Ehe radikal ablehnt, hat viele – auch junge – Verehrer Foto: Reuters

OAXACA taz | Wie halten Sie’s mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften? Wenn am Sonntag in Costa Rica ein neuer Präsident gewählt wird, spielt diese Frage eine entscheidende Rolle. Mit Fabricio Alvarado führt in den Umfragen ein Mann, der homosexuelle Ehen radikal ablehnt. Der Politiker der evangelischen Partei Restauración Nacional (RN) konnte jüngst einen geradezu kometenhaften Aufstieg verbuchen. Innerhalb weniger Wochen stieg die Zustimmung für ihn um das Sechsfache. Doch auch die meisten seiner Konkurrenten gingen in den letzten Tagen vor dem Urnengang mit der vermeintlichen Verteidigung christlicher Werte auf Stimmenfang.

Der Grund dafür, dass die Homo-Ehe zum Wahlkampf­thema Nummer eins geworden ist, liegt in einem Urteil des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes. Am 9. Januar entschieden die Richter, dass homosexuelle Paare rechtlich heterosexuellen Lebensgemeinschaften gleichzustellen seien. Somit müssen alle Mitgliedsländer der Organisation Amerikanischer Staaten die „Ehe für alle“ uneingeschränkt umsetzen, also auch Costa Rica.

Während Menschenrechtsorganisationen und die LGBTI-Bewegung das Urteil feierten, hat es für die regierende sozialdemokratischen PAC fatale Konsequenzen. Denn der Entscheidung des Gerichts liegt eine Anfrage der costa-ricanischen Vizepräsidentin Ana Helena Chacón Echeverría vom Mai 2016 zugrunde. Die PAC-Politikerin wollte wissen, ob denn in Costa Rica genug getan werde, um die sexuelle Vielfalt zu garantieren. Nach dem Urteilsspruch zu Schwulen, Lesben und Transgender erklärte sie, das Gericht „erinnert alle Staaten des Kontinents, also auch unseren, an die Verpflichtungen und die historische Schuld gegenüber diesen Bevölkerungsgruppen“.

Bei der zu 80 Prozent religiösen Wählerschaft kommt diese Haltung schlecht an. Nach Angaben des Zentrums für Politische Forschung und Studien (CIEP) sprechen sich zwei Drittel der Bevölkerung gegen gleichgeschlechtliche Ehen, einen lai­zistischen Staat und Abtreibungen nach Vergewaltigungen aus. Vertreter der katholischen Kirche sowie evangelische Gemeinden griffen diese Haltung auf und gaben dem Wahlkampf einen konservativen Dreh. So organisierte die Bischofskonferenz gemeinsam mit führenden Protestanten eine Kampagne „für die Familie und das Leben“ und gegen Sexualerziehung an Schulen.

„Für die Familie und das Leben“ und gegen Sexualerziehung an Schulen

Die Botschaft stieß bei fast allen der 13 Kandidaten auf fruchtbaren Boden. Costa Rica werde die nationale Souveränität gegenüber dem Menschenrechtsgericht bis zur letzten Konsequenz verteidigen, erklärte RN-Kandidat Alvarado. Sein Konkurrent von der liberalen Partei PLN, Antonio Álvarez Desanti, sprach sich gegen die „Gender-Ideologie“ aus, die der natürlichen Ordnung Gottes widerspreche. Ähnlich äußerte sich der rechte christsoziale Kandidat Juan Diego Castro. Andere Themen wie etwa die hohe Arbeitslosigkeit, die Korruption und die steigende Unsicherheit gerieten angesichts der konservativ-religiösen Mobilmachung in den Hintergrund.

Mit seinen 16,9 Prozent der Stimmen liegt Alvarado nun nach CIEP-Umfragen vom Mittwoch vor Desanti mit 12,6 Prozent. Erst auf Platz drei kommen die regierenden Sozialdemokraten der PAC, die aber auch durch einen Korruptionsskandal bei den Wählern in Missgunst geraten sind. Da nicht zu erwarten ist, dass ein Kandidat am Sonntag über 40 Prozent für sich verbuchen kann, wird wohl erst ein zweiter Wahlgang über den neuen Präsidenten entscheiden. An Ostern müssen dann die Costa Ricaner erneut an die Urnen gehen.

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