Presseunfreiheit in Weißrussland: Abgeblockt

Die oppositionelle Webseite Charter 97 ist nicht mehr zu erreichen. Die Regierung begründet das mit der Verbreitung verbotener Inhalte.

Staatspräsident Alexander Lukaschenko

Pressefreiheit? Mir doch egal. Staatspräsident Alexander Lukaschenko Foto: dpa

BERLIN taz | Die weißrussische Regierung hat die oppositionelle Webseite „Charter 97“ sperren lassen. Das Informationsministerium begründete seine Entscheidung damit, dass dort Informationen veröffentlicht worden seien, deren Verbreitung gegen die Mediengesetze verstoße. Dabei handelt es sich um Informationen sogenannter nicht registrierter Organisationen, die Extremismus befördern oder nationalen Interessen zuwiderlaufen.

Der Name der Seite „Charter 97“, die vor allem über Menschenrechtsverletzungen informiert, geht auf einen Aufruf von Journalisten, Oppositionspolitikern und Menschenrechtsaktivisten zur Demokratisierung Weißrusslands zurück.

Die Seite, die ihren Sitz mittlerweile in Warschau hat, war 1997 von Andrej Sannikow gegründet worden. Sannikow trat bei der Präsidentenwahl im Dezember 2010 gegen den autokratischen Staatschef Alexander Lukaschenko an. Kurz darauf wurde er festgenommen, 2011 wegen Organisation von Massenunruhen zu fünf Jahren Haft verurteilt und 2012 aus dem Gefängnis entlassen.

„Charter 97“ und deren Betreiber waren des öfteren Repressionen vonseiten des Staates ausgesetzt. Aleh Byabenin, einer der federführenden Unterzeichner des Aufrufs von 1997, wurde im September 2010 erhängt in seinem Haus in der Nähe von Minsk aufgefunden. Seine Kollegen zweifeln die offizielle These von einem Selbstmord bis heute an.

Fake News platziert

2011 war die Seite Ziel eines Hackerangriffs, bei dem Teile des Archivs gelöscht und Fake News platziert wurden. Der weißrussische Journalist Pawel Scheremet, der ebefalls mit „Charter 97“ verbandelt war, wurde im Juli 2016 von einer Autobombe in der ukrainischen Hauptstadt Kiew getötet. Die Täter sind bis heute nicht dingfest gemacht.

Für die Chefredakteurin Natalja Radzina, die politisches Asyl in Litauen erhalten hat, ist klar, wohin die Reise geht und das nicht erst seit kurzem. „Es ist offensichtlich, dass die dass die finale Zerstörung der Meinungsfreiheit in Weißrussland in vollem Gange ist“; sagte sie. Man werde sich jedoch bemühen, die Seite wieder zugänglich zu machen.

Das Schicksal von „Charter 97“ ist symptomatisch für ein Land, in dem schwerste Menschenrechtsverletzungen Alltag sind und Andersdenkende mundtot gemacht werden. Erst vor wenigen Tagen bestätigte ein Minsker Gericht Todesurteile gegen zwei Männer.

Daran ändert auch der Umstand nicht, dass Präsident Alexander Lukaschenko hin und wieder Anwandlungen hat, ein wenig auf die Europäische Union zuzugehen und dann ein paar politische Gefangene frei lässt.

Offener Brief

Im vergangenen Jahr wandten sich 48 Organisationen aus 24 Ländern in einem offenen Brief an Alexander Lukaschenko. Darin fordern sie den Präsidenten friedliche Demonstranten – darunter auch dutzende Journalisten – frei zu lassen, die im März an Protesten teil genommen hatten. Der Unmut richtet sich gegen ein Dekret Lukaschenkos, das Arbeitslose zur Zahlung einer Sondersteuer verpflichtete.

Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen führt Weißrussland auf ihrem Indes für Pressefreiheit auf Rang 153 von 180 Staaten.

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