Groko will Verfassungsschutz aufrüsten: Der geheime Gewinner

Mehr Überwachungsmittel, mehr Zentralisierung: Kommt die GroKo, will sie den Verfassungsschutz besser ausstatten. Die Opposition ist alarmiert.

Ein Schatten verdeckt das halbe Gesicht eines Mannes

„Brauchen vollen Werkzeugkoffer“: Hans-Georg Maaßen Foto: reuters

BERLIN taz | Vor einigen Monaten saß Hans-Georg Maaßen im Bundestag und richtete einen Appell an die Abgeordneten. Die Sicherheitslage werde immer komplexer, „in allen unseren Geschäftsfeldern boomt es“, warnte der Verfassungsschutzchef. „Wir brauchen deshalb einen vollen Werkzeugkasten.“

Den Werkzeugkoffer dürfte Maaßen nun bekommen. Denn Union und SPD vereinbarten in ihrem Koalitionsvertrag eine deutliche Aufwertung des Bundesamts für Verfassungsschutz. Der Geheimdienst soll zur maßgeblichen Analysestelle für islamistischen Terrorismus und sonstige „extremistische Phänomene von bundesweiter Bedeutung“ werden. Zudem soll er als „zentrale Servicedienststelle“ für Überwachungstechnik fungieren. Und: Das Amt soll eine zwar „maßvolle“, aber doch „sachgerechte Kompetenz­erweiterungen“ erhalten. Sollte die Große Koalition kommen – der Bundesverfassungsschutz wäre einer der Gewinner des Bündnisses.

Dabei stand der Geheimdienst vor einigen Jahren noch heftig in der Kritik: nach der jahrelang unentdeckten NSU-Terrorserie. Das scheint nun Geschichte. Die Groko begründet ihre Stärkung des Verfassungsschutzes mit der fortbestehenden Terrorgefahr – und einem Behördenwirrwarr, etwa im Fall des Terroristen Anis Amri.

Terroristische Gefährdungen richteten sich immer gegen die gesamte Bundesrepublik, betont CDU-Innenexperte Armin Schuster. „Deshalb ist es richtig, diese auch zentraler zu bekämpfen.“ Zudem gelte es, den Verfassungsschutz Schritt halten zu lassen, wenn sich Bedrohungen immer mehr im Digitalen organisieren würden.

Angst vor der „Riesenkrake“

Die Opposition dagegen gibt sich alarmiert. „Der Werkzeugkasten des Verfassungsschutzes ist bereits prall gefüllt“, kritisiert die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic. „Es wäre ein Fehler, einer Behörde, deren Handeln kaum nachzuvollziehen ist, noch mehr Befugnisse zur Überwachung von Bürgern zu verschaffen.“ Auch die Linken-Innenpolitikerin Martina Renner warnt vor einer „Riesenkrake namens Bundesamt für Verfassungsschutz“. Maaßens „Traum von noch mehr Befugnissen“ scheine komplett umgesetzt zu werden. Es drohe „eine neue Eiszeit für Bürgerrechte in Deutschland“.

Maaßen selbst schweigt bisher zu der Groko-Einigung. Schon seit Monaten aber wirbt der Verfassungsschutzchef um mehr Macht für sein Bundesamt. Erst vor einer Woche warnte Maaßen auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin vor der hohen Gefahrenlage im Land. In einem internen Schreiben an alle Landesämter forderte er schon zuvor für „besondere Lagen“ ein „Direktionsrecht“ für sein Bundesamt.

Selbst im Verfassungsschutz wird vor einer Entwicklung „hin zur Hilfspolizei“ gewarnt

Maaßen hat dabei einen prominenten Fürsprecher: Noch-Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Auch der fordert eine Zentralisierung des Verfassungsschutzes, brachte gar die Abschaffung aller Landesämter ins Spiel – was diese ablehnen. Aber schon die Jamaika-Sondierer wollten die „Koordinierungsfunktion“ des Bundesverfassungsschutzes stärken. Anlasslose Massenüberwachungen aber sollten, auf Druck von Grünen und FDP, heruntergefahren werden. Auch war neues Personal nur für die Polizei vereinbart. Union und SPD sprechen jetzt dagegen von 15.000 neuen Stellen für alle Sicherheitsbehörden, also auch für den Verfassungsschutz. Zudem sollen die Behörden ihre Befugnisse „auch in der digitalen Welt tatsächlich durchsetzen können“.

Trojaner für den Geheimdienst?

Maaßen äußerte bereits, dass er gern Zugang zu verschlüsselten Messengerdiensten hätte. Das dürfte auf den Staatstrojaner zielen. Den darf bisher hauptsächlich die Polizei einsetzen, um Kommunikation abzufangen, bevor sie verschlüsselt wird, etwa via WhatsApp – oder mittels einer „Onlinedurchsuchung“ ganze Festplatten zu durchforsten. In Bayern hat der Verfassungsschutz den Trojaner bereits, in Hessen soll er ihn demnächst bekommen – gegen den Protest von Opposition und Bürgerrechtsgruppen.

CDU-Mann Schuster verteidigt das Ansinnen. Es sei „grotesk“, wenn Täter wüssten, dass sie ungestört verschlüsselt kommunizieren könnten. „Polizei und die Dienste brauchen die gleichen Befugnisse im Internet wie in der realen Welt.“

Grünen-Politikerin Mihalic sieht das anders. „In immer kürzeren Abständen wurden dem Verfassungsschutz trotz aller Krisen und Skandale mehr Personal und Befugnisse zugestanden“, kritisiert sie. „Damit muss Schluss sein.“ Es scheine, als werde der Bundesverfassungsschutz zur „parallelen Ermittlungsbehörde“ neben der Polizei ausgebaut. Das aber verstärke nur das „Zuständigkeits-Chaos“, so Mihalic. Zuständig für Terrorismusbekämpfung sei die Polizei.

Die Groko-Pläne stoßen selbst innerhalb des Verfassungsschutzes auf Skepsis – und zwar bei einigen Landesämtern. So nennt der Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer neue Eingriffsrechte für den Geheimdienst „durchaus prüfenswert, um nicht auf verlorenem Posten zu landen“. Aber auch er warnt vor einer Entwicklung „hin zu einer Hilfspolizei“. „Das ist nicht unsere Aufgabe.“ Zudem könnte es das Bundesamt als Zentralstelle laut Kramer längst geben: „Bundesweit koordinieren, Lagebilder zusammenbinden, Verantwortung übernehmen – das könnte das Bundesamt schon heute, tut es aber nicht.“ Wichtiger als eine weitere Großreform sei deshalb „ein Mentalitätswechsel an der Spitze“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.