Kommentar GroKo und Wohnen: Die neue soziale Frage

Die SPD hat sich in den GroKo-Verhandlungen beim Thema Mietrecht durchgesetzt. An der Vertreibungsangst wird das aber nur wenig ändern können.

Eine grüne Häuserfront, man sieht drei Fenster, deren Rollladen heruntergelassen sind

Nach der Mietzahlung bleibt bei vielen Menschen nicht viel Geld übrig Foto: dpa

Wunder wird es nicht geben, aber die künftige große Koalition hat offenbar erkannt, dass Wohnungs- und Mieterprobleme die neue soziale Frage sind. Nur so ist es zu erklären, dass sich die SPD in diesem Gebiet mit einigen ihrer wichtigsten Forderungen durchgesetzt hat: Der Bund wird sich wieder auf Dauer gemeinsam mit den Ländern am sozialen Wohnungsbau beteiligen, eine Grundgesetzänderung soll gegebenenfalls kommen. Mieterhöhungen nach Modernisierung werden gedämpft. Vermieter sollen beim Mietvertragsabschluss unaufgefordert die Vormiete nennen müssen, so dass ungerechtfertige überhöhte Mieten sofort transparent werden.

All das löst natürlich nicht die Probleme in den Metropolen, wo es an Neubauwohnungen mangelt, weil die Nachfrage groß und Grundstücke rar sind. Wohnungsbau ist teuer. Deswegen können auch zwei Milliarden Euro Fördersumme für den sozialen Wohnungsbau nicht zu den erforderlichen Hunderttausenden von bezahlbaren Neubauwohnungen in den Metropolen führen. Die soziale Schichtung über die Wohnungsfrage wird bleiben: Wer wenig Geld hat, muss weiter raus ziehen und viel pendeln, muss sich bei der Raumgröße bescheiden oder soviel Einkommen für das Wohnen aufwenden, dass daneben nur noch wenig Mittel zum Leben übrig sind.

Trotzdem setzt die Einigung ein Signal für MieterInnen. Wie gesagt: Bei einer Wiedervermietung muss der Hausbesitzer künftig ohne vorherige Aufforderung die Vormiete offenlegen. Ungerechtfertigte Mietsprünge werden damit transparent. Zudem soll die Umlage der Modernisierungskosten auf die Miete zumindest in Gebieten mit angespannter Wohnungslage etwas abgesenkt werden. Mieterhöhungen nach einer Modernisierung fallen damit um ein gutes Viertel niedriger aus.

Die Einigung ist ein erster Schritt. Und der war dringend nötig.

All dies sind keine Wundermittel gegen die Vertreibungsangst. Die gefürchteten Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen bleiben. Und auch eine Mieterhöhung von 150 Euro im Monat nach einer Modernisierung kann die Haushaltskalkulation einer Geringverdienerin durcheinander bringen, weil man sich dann neben der Miete keine Reise, kaum noch Zahnersatz, keine Extras mehr leisten kann.

Die SPD hat aber einen Einstieg geschafft, die Wohnungsfrage als neue soziale Frage zu etablieren, deren Beantwortung die Bundespolitik nicht mehr den Ländern oder dem Markt alleine überlassen kann. Die Einigung ist ein erster Schritt. Und der war dringend nötig.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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