Afrob über Rassismus und politischen Rap: “Ich bin nichts für schwache Nerven“

Afrob macht seit 20 Jahren Rap. Ein Gespräch über Maulkörbe, schwarze und weiße Arschlöcher und über das Tape, das für ihn wie eine Erlösung war.

Ein 40-jähriger Mann mit schwarzem Bart, beigem Pullover und Baseball-Kappe.

Watch-Dog des Hip-Hop: Der Rapper Afrob Foto: Miguel Ferraz

taz: Afrob, Sie machen jetzt seit bald 20 Jahren Rap. Ist man dafür nicht irgendwann zu alt?

Afrob: Das ist schwierig zu sagen, weil es noch nicht wirkliche Vorbilder in Deutschland oder in Europa dafür gibt. Rap ist eine sehr junge Musikkultur. Aber nehmen wir mich als 40-Jährigen zum Beispiel, wenn ich einen guten Beat höre, kann man mir nicht sagen, ich bin zu alt, um mit dem Kopf mitzunicken. Es ist alles intuitiv. Man wird noch lernen, mit Rap älter zu werden. Aber es gibt auf jeden Fall einen kritischen Punkt und jeder sollte für sich wissen, wo seiner ist. Meiner ist noch nicht erreicht.

Können Sie sich Ihr Leben ohne Rap vorstellen?

Auch wenn ich eines Tages nicht mehr aktiv Rap mache, kann ich noch passiv zuhören. Wenn ich mit 65 Jahren einen Song höre, der einfach geil ist, kann ich noch voll dabei sein. Warum sollte das nicht passieren? Aber um es mal zu sagen: Ich denke nicht, dass ich mit 55 Jahren auf der Bühne stehe und rappe „Yo yo, get up“. I don’t think so.

Als nächstes stehen bei Ihnen im März mehrere Shows mit Ihrem Best-Of-Album an.

Ja, in Hamburg, Berlin, Köln, Frankfurt, Stuttgart, München. Es sind Akustik-Version von meinen Klassikern. Ein einfaches Best-Of braucht kein Mensch mehr. Mit iTunes und Spotify kann ich mir selbst meine Lieblingssongs zusammenstellen. Ich muss dafür kein Geld ausgeben.

Erwartet Ihr Publikum eigentlich nichts Neues mehr von Ihnen?

Nach einer bestimmten Zeit muss man den Leuten zeigen, die mit dir gewachsen sind, was deine Prioritätssongs sind. Und ich finde, ich habe ein gutes Publikum, sie müssen überdurchschnittlich intelligent sein, weil ich nichts für schwache Nerven bin, Afrob ist nichts für schwache Nerven. Aber ein Best-Of macht man nicht einfach so, es ist eine Zäsur.

Was kommt danach?

Es wird ein Mixtape geben und dann mache ich 2019 schon 20 Jahre Musik, seit ich aus der Schule bin. Ich habe nichts anderes gemacht. Mein ganzes Leben dreht sich darum: Wie könnte X oder Y in Fulda diesen Song geil finden? Wie mache ich das? Ich weiß nicht, ob ich so viel über meine Kinder nachgedacht habe wie über meine Musik. Das ist akribische Arbeit und ich tue mir keinen Gefallen, weil das manchmal Züge annimmt, die nicht ganz gesund sind. Ich fange es als Mixtape an und es endet mit den Ansprüchen von einem Album.

Wie sind Sie zum Rap gekommen?

Wie viele Leute: über einen Freund. Er hatte ein Tape mit Rap-Songs: 2 Live Crew, Run-D.M.C., richtig old school und mir hat das direkt gefallen. Dann habe ich ein Tape bekommen, wo noch eine Gruppe darauf war: Public Enemy – viele eurer taz-Leser kennen das wahrscheinlich, sie sind PE-Fanatiker, so ich mal einer war. Es war für mich eine Erlösung. Ich habe mit 13 zum ersten Mal gehört: „Junge, du bist schwarz und es ist voll okay so.“ Für mich war das mehr als nur Musik, es war die Legitimation, ich sein zu dürfen, auf der Straße, in der Schule, im Verein, überall, wo ich war.

Und dann haben Sie auch selbst gerappt?

40, ist in Braunschweig, Karlsruhe und Stuttgart aufgewachsen und veröffentlichte 1999 sein erstes Soloalbum „Rolle mit Hip Hop“. Insgesamt hat er acht Alben veröffentlicht, zwei davon gemeinsam mit Samy Deluxe. Seit drei Jahren lebt er in Hamburg.

Ich musste erst noch viel lernen, es war nur eine Gruppe mit 18 Songs. Ich musste die Essenz und die Dramaturgie verstehen, sowie den Aufbau der Musik. Es geht auch darum, wer was wie sagt. Ich musste lernen und in der Bibel nachschauen. I had to educate myself, um diese Musik zu verstehen. Dann habe ich aktiv gerappt, Public-Enemy-Texte und alles, was so politisch stigmatisiert war, auch black racist music. Das habe ich alles gehört, um mich zu powern, um mich nicht kleiner zu machen. Und dabei habe ich angefangen, die Welt Schwarz-Weiß zu sehen, immer radikaler.

War das Ihre Art, sich zu verteidigen?

Ich war 13 Jahre alt, ich war allein, ich war in Stuttgart überall der einzige Schwarze. Ich hatte keinen gesehen, der so aussieht wie ich, außer den anderen Männern, die nicht politisch waren und eritreische Lieder gesungen haben. Wenn ich nach Bologna fahre, sind es hin und zurück elf Stunden Zug. Ich werde elf Mal angehalten, zwei Mal muss ich mich komplett ausziehen. Das ist für mich Standard. Ich werde kontrolliert, verdachtsunabhängig, es ist Willkür, Repression vom Staat. Diese Musik gehört zu meiner Emanzipation von dieser Behandlung mit dazu. Es ist nicht nur Rap, es ist mein life.

Wie sind Sie aus dieser Schwarz-Weiß-Sichtweise herausgekommen?

Durch Kontakte mit den anderen habe ich bemerkt: So kann man nicht durch die Welt gehen. Ich sehe nicht jeden Weißen als Rassist, auch wenn er etwas Blödes sagt. „Did you heard what Trump said about you? He does’nt like you blabla.“ Ich habe keine Lust, mich von anderen instrumentalisieren zu lassen. Es gibt viele schwarze Arschlöcher, es gibt viele weiße Arschlöcher. Das ist das Lieblingsargument von vielen, aber es ist auch nur die halbe Wahrheit. Wenn man die conditions von vielen Afrikanern anguckt, ist das ein Problem mit Imperialismus, Kolonialismus und leider immer noch white supremacy bei wenigen Leuten ganz oben.

Wie finden Sie Deutschland als Schwarzer derzeit?

Ich lebe in Deutschland seit 1977, ich habe hier viele Phasen erlebt, auch die gegen Ausländer nach 1989. Aber ich denke, dass kein Land eine so große Entwicklung gemacht wie die Bundesrepublik Deutschland mit seinen Mitbürgern und seinen Institutionen.

Was stört Sie in Deutschland?

Es gibt keine Debattenkultur mehr und dadurch entstehen diese Ventile wie die AfD oder Pegida. Aber wenn du keine Argumente hast, brauchst du Gesetze und da ist die Demokratie verloren. Ich hätte auch gerne diversity, was Meinungen angeht, in Medien, Print, Radio und Fernsehen. So wüsste man, dass es solche Strömungen überhaupt gibt und man würde verstehen, warum die AfD 13 Prozent kriegt und Trump wird nicht gewählt. Es sind eure Babies. You must have done something to make it happen.

Sie haben gesagt, Obamas Wahl wäre ohne Hip-Hop nicht möglich gewesen. Haben die positiven Entwicklungen der Bundesrepublik Deutschland auch was mit dieser Musik zu tun?

In den USA und in der Welt hat Hip-Hop auf jeden Fall eine sehr große Rolle gespielt. Aber in Deutschland ist es eine andere Dynamik, glaube ich. Die Nachkriegsgenerationen wollen nicht mehr hören, dass sie die Juden-Killer oder die Kriegstreiber sind, auch nicht, dass in Deutschland nur Rassisten leben und dafür haben sie sich eingesetzt. So viel Migration wie in den letzten 20 oder 30 Jahren muss man anerkennen, auch dass die Gesellschaft das begleitet – das ist besonders.

Sie haben mal in einem Interview gesagt: Ein Afrob-Album ist immer ein Politikum.

Nicht schlecht, oder?

Muss Hip-Hop denn immer politisch sein?

Nein, aber ich bin ein Politikum. Alles, was ich sage, ist politisch. Ich habe zu allem eine Meinung. Wir haben aber nur leider verlernt, uns zuzuhören. Wir reden nur übereinander. Rassismus ist eine Meinung, kein Verbrechen. Ich bin dafür, dass jemand mit einer anderen Kultur in diesem Land lebt und seinen Beitrag leistet. Aber es muss möglich sein, darüber zu reden.

Wie hat sich Hip-Hop in den vergangenen 20 Jahren verändert?

Alles muss mir nicht gefallen. Rap hat sich schon immer entwickelt, in manchen Situationen habe ich davon profitiert, manchmal auch nicht. Aber im Kern bleibt etwas vom Underdog. Egal ob neu oder alt, Hauptsache, es ist eine Musik, die mir gefällt.

Was ist Ihre Rolle in der Hip-Hop-Szene?

Ich habe schon ein bisschen eine Watch-Dog-Rolle, aber ich bin kein Dogmatiker. Ich zeige auf niemanden mit dem Finger und sage, das ist kein richtiger Rap. Das gibt es nämlich nicht. Wir hatten damals die Chance, Rap zu interpretieren, wie wir es gesehen haben. So erlaube ich es auch anderen, diesen 2006-Geborenen. Für die ist es natürlich ganz anders und 50 Cent ist schon zu alt. Das ist voll okay so und ich liebe Rap dafür. Ich hoffe nur, man scheißt nicht darauf, was es vorher gab.

Welche Tipps würden Sie jemanden geben, der mit Rap anfangen will?

Erstmal zur Schule gehen. Unterhaltungsbranche, was soll das? Von dir gibt es vielleicht 100, du bist nicht alleine. Nur mit Talent allein ist es wirklich schwierig. Mit Persönlichkeit geht es leichter. Ich will nicht sagen, hör auf, deinen Traum zu leben. Aber 18-Jährige sollten nicht denken, ihr Leben ist schon vorbei. Das habe ich auch gedacht aber du hast so viel Zeit, du kannst in die Schule gehen und was lernen.

Ist es für Sie wichtig, dass viele Frauen auf Ihre Platte rappen?

Es ist nicht nur wichtig, dass Frauen auf meiner aktuellen Platte sind. Du wirst in ganz Deutschland keinen finden, der wie ich eine Frau auf jeder Platte hat, die rappt und nicht la-la-la singt.

Warum gibt es in der Hip-Hop-Szene eigentlich so wenig Frauen?

Es ist eine sexistische, männerdominierte, faschistoide Domäne. Ich mache mir damit keine Freunde, aber ihr könnt mich am Arsch lecken. Keine Frau, keine Gesellschaft. Ich glaube, es ist das größte Problem der Hip-Hop-Szene, dass wir zu wenig Frauen haben, die rappen. Das kann ich nicht verstehen, denn das ist noch schlimmer, als nicht genug Schwarz-Afrikaner zu haben. Frauen sollten aber machen können, was sie wollen und auch einfach rappen. Sie müssen nicht die bitch sein.

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