Schulmädchen in Nigeria entführt: Hat Boko Haram neue Geiseln?

Zahlreiche Schülerinnen aus dem Mädcheninternat Dapchi werden nach einem Angriff vermisst. Die Behörden widersprechen sich.

Ein Mann mit Gewehr, Shekau

Er ist wieder aktiv: Boko-Haram-Führer Shekau, hier als Standbild aus einem Video vom Januar Foto: reuters

COTONOU taz | Viele Spekulationen ranken sich in Nigeria um den Überfall auf die weiterführende staatliche Mädchenschule für Wissenschaft und Technik in Dapchi im Bundesstaat Yobe. Medienberichten vom Donnerstag zufolge waren nach dem Überfall der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram am Montagabend auf das Mächeninternat im äußersten Norden Nigerias 30 bis 40 Schülerinnen verschwunden. Zwei Väter haben berichtet, dass Mädchen auf einem Lkw abtransportiert wurden.

Behördenvertreter hatten sich bis Mittwochnachmittag gegen die Vorstellung gewehrt, dass Boko Haram wieder einmal eine Massenentführung von Schülerinnen verübt haben könnte, sich dabei aber in Widersprüche verstrickt. Zuerst hieß es vonseiten des Polizeikommissars Abdulmaliki Sumonu, es sei nur zu einem Überfall gekommen. Anschließend – vermutlich war der Druck durch besorgte Eltern und Medienvertreter zu stark geworden – sprach Sumonu von 111 verschwundenen, aber nicht entführten Schülerinnen: Ansonsten seien die Mädchen, deren Gesamtzahl unterschiedlich mit 740 bis über 900 angegeben wird und die vor den Angreifern zunächst geflohen waren, wiederaufgetaucht.

Am Mittwochabend ließ ein Sprecher von Provinzgouverneur Ibrahim Gaidam schließlich verkünden, dass einige Mädchen befreit wurden und in Obhut der Armee seien. Aber am Donnerstag besuchte der Gouverneur selbst Dapchi und sagte, es sei kein Mädchen gerettet worden.

Immerhin hat Präsident Muhammadu Buhari drei Minister entsandt, um den Vorfall zu prüfen, und hochrangige Treffen einberufen. Aber was nach Entschlossenheit aussieht, ist eher ein Zeichen von Hilflosigkeit.

Mindestens dreimal hat der 75-jährige Buhari seit seiner Wahl zum Präsidenten 2015 – er besiegte seinen Vorgänger Goodluck Jonathan damals vor allem wegen dessen Versagen gegenüber Boko Haram – vor großem Publikum verkündet, Boko Haram sei „technisch besiegt“. Vor Ort ergibt sich allerdings ein ganz anderes Bild. Die Armee ist weiterhin nicht in der Lage, in entlegeneren Gegenden Einwohner zu schützen.

Im Nordosten Nigerias kommt es wieder häufiger zu Boko-Haram-Angriffen

Der aktuelle Vorfall erinnert schmerzlich an den spektakulären Boko-Haram-Überfall auf die Schule von Chibok am 14. April 2014. Von den anfangs 276 entführten Schülerinnen sind knapp vier Jahre später 112 weiterhin in Geiselhaft. Auch deswegen wird der Angriff von Dapchi so emotional aufgenommen. Dabei kommt es im Nordosten Nigerias längst wieder häufiger zu Boko-Haram-Angriffen.

Erst vergangene Woche wurden dabei im Bundesstaat Borno auf dem Fischmarkt von Konduga mindestens 20 Menschen getötet. Lokale Medien berichten von Entführungen entlang der Straße zwischen Bornos Provinzhauptstadt Maiduguri und Damboa sowie von neuerlichen Angriffen auf die Universität von Maiduguri. Nigerias Armee, die zeitweilig jedes Moped erwähnte, das sie von den Terroristen sichergestellt hatte, äußert sich nur noch höchst selten.

Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ist die Zahl der Binnenflüchtlinge in Nigeria zwischen Dezember und Fe­bruar zum ersten Mal seit Mai 2017 wieder gestiegen. Vor Boko Haram sind im Nordosten Nigerias 1,78 Millionen Menschen auf der Flucht.

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