die dritte meinung
: Bekämpft die Armut, nicht die Armen! Das fordert der grüne NRW-Chef Felix Banaszak

Felix Banaszak

ist seit Januar 2018 Landesvorsitzender der NRW-Grünen. Zuvor war der Duisburger Bundessprecher der Grünen Jugend und kommunalpolitisch in Duisburg aktiv.

Auf der Straße übernachten? Gibt in Dortmund ein Knöllchen und kostet 20 Euro. Im Winter Zuflucht an Lüftungsschächten von Einkaufszentren suchen? Da geht die Sprinkleranlage an. Pfandflaschen sammeln? Manche Mülleimer machen das unmöglich.

In Deutschland wird einiges getan beim Kampf gegen die Armen. Leider fehlt dieser Einsatz beim Bekämpfen der Armut. Die Sozialausgaben erreichen jährlich neue Höchststände, aber die Armut bleibt. Und ihr Anblick stört, denn er führt das Versagen des Sozialstaates brutal vor Augen. Deswegen werden Obdachlose aus den Stadtzentren verdrängt, Aufenthaltsorte und Schlafplätze werden ihnen genommen. Mit erschreckender Härte reagiert die Politik auf das Leid, das sie zum Teil selbst zu verantworten hat.

Ein Sozialstaat muss sich daran messen, wie er mit den Schwächsten umgeht. Wer diese Messlatte an die Pläne der Groko anlegt, bekommt das kalte Schaudern. Obdachlosigkeit kommt im Koalitionsvertrag nicht vor. Die Kindergelderhöhung geht an den Familien, die es am dringendsten bräuchten, vorbei. Die sogenannte Grundrente hat so hohe Hürden, dass Frauen in Altersarmut wenig davon sehen werden. Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen: Fehlanzeige.

Armut ist Mangel an Geld, nicht an Charakter. Wer wohnungslos ist, braucht eine Wohnung. So einfach das klingt, so richtig ist das. Mit dieser Erkenntnis, mit etwas Mut und Kreativität lässt sich vieles verbessern. In Finnland ging die Obdachlosigkeit massiv zurück, seit der Staat Obdachlosen unter dem Motto „Housing First“ ein eigenes Dach über dem Kopf gibt. Wer keine Angst vor dem Erfrieren hat, kümmert sich vielfach um seine Suchtprobleme, sucht einen Job und stoppt die persönliche Abwärtsspirale. Und ganz nebenbei sinken die Ausgaben für Polizei und Ordnungsdienste.

Armutsbekämpfung ist eine Frage des Willens. Es gibt in Deutschland Mut machende Projekte – was fehlt, ist eine Bundesregierung, die Armutsbekämpfung zur Chefsache macht. Was fehlt, ist Mut gegen die Armut.