Kommentar Studie Schule und Migration: Mut zur Einwanderung

SchülerInnen mit Migrationshintergrund haben es deutlich schwerer. In Deutschland muss sich daran schnellstens etwas ändern.

Schüler in einer Schulklasse mit dem Rücken zur Kamera

Deutschland reiht sich ins europäische Umfeld ein. Anlass zur Freude ist das noch nicht Foto: dpa

Menschen wandern aus, Menschen wandern ein. Das war so seit Beginn der Menschheitsgeschichte. Auf lange Sicht haben davon alle profitiert: die Einwanderer, die sich an fernen Gestaden oder im Nachbarreich eine neue Existenz aufbauten, und die Länder, die sie aufgenommen haben. Das zum Grundsätzlichen. Und nun zum Speziellen. Denn ja, es gibt natürlich Probleme.

Wenn laut Pisa-Sonderauswertung Schüler aus Migrantenfamilien in den Schulen der westlichen Industrieländer tendenziell schlechter abschneiden als Muttersprachler, wenn nur die Hälfte der Schüler, die im Ausland geboren sind, grundlegende Kompetenzen in Mathe, Deutsch und Naturwissenschaften erreicht, ist das ein Problem. Für alle. Da wächst ein neues Lumpenproletariat heran, ausgestattet mit Sneakers und Smartphone, doch ohne Chancen auf den Arbeitsmärkten der hightechbasierten Industriegesellschaften.

Deutschland reiht sich laut dieser Studie „zur Resilienz von Schülern mit Migrationshintergrund“ ins europäische Umfeld ein. Während 80 Prozent der hier Geborenen zumindest grundlegende schulische Kompetenzen erwerben, sind es nur 45 Prozent der Einwanderkinder erster Generation. Jene, die es mit ihren Eltern aus Syrien, aus dem Irak, aus Afghanistan und Nigeria geschafft haben, könnten in 15 Jahren dazu gehören.

Brandbeschleuniger Migrationshintergrund

Das Problem sind nicht die Menschen oder ihr Schicksal, MigrantIn zu sein. Der Abstand eingewanderter Schülerinnen zu den Muttersprachlern schrumpft, wenn die Eltern über sonstiges Kapital verfügen, einen Mittelschichtsstatus und gute Bildung. Doch der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Zukunft ist in Deutschland seit jeher stark ausgeprägt – ein Migrationshintergrund wirkt da wie Brandbeschleuniger.

Diese Kinder besuchen nun Schulen in Deutschland, die viel zu häufig nicht auf eine bunte Schülerschaft vorbereitet sind. Das zeigte bereits die Grundschulleseuntersuchung Iglu, der zufolge Deutschland im internationalen Vergleich absackt. Viele Lehrkräfte lernen gerade erst, in kulturell und leistungsmäßig gemischten Klassen zu unterrichten. Und das Bewusstsein, dass Lernen mehr ist als Mathe und Deutsch, dass auch die Klavierstunde, der Zeichenkurs und die Astronomie-AG dazugehören, setzt sich in den Kultusministerien erst so langsam durch.

Die Große Koalition hat einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen versprochen, sie will Schulen in schwieriger Lage besonders fördern. Was noch fehlt, ist das Bewusstsein, dass Einwanderung eine Chance ist – die Bevölkerungspyramide wird zum Pilz, die Sozialsysteme brauchen junges Blut, die Wirtschaft Arbeitskräfte. Diese Chance muss man nutzen.

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Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.

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