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: Lula ist der Gefängniszelle einen Schritt näher

Brasiliens linker Ex-Präsident Lula da Silva verliert die Berufung gegen seine Verurteilung zu zwölf Jahren Haft. Ob er ins Gefängnis muss, entscheidet sich kommende Woche

Das Neue

Brasiliens ehemaliger Präsident Ignacio Lula da Silva hat vor Gericht eine neue Niederlage erlitten. Am Montag lehnte ein Gericht in Porto Alegre seinen Berufungsantrag gegen die Verurteilung zu zwölf Jahren Haft ab. Im Juli 2017 war Lula erstmals wegen mutmaßlicher Korruption zu neun Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ende Januar diesen Jahres hatte das Berufungsgericht die Strafe sogar auf zwölf Jahre erhöht. Dennoch ist Lula noch nicht im Gefängnis. Am 4. April wird der oberste Gerichtshof über Lulas Haftprüfungsantrag entscheiden. In Brasilien ist es grundsätzlich möglich, dass eine Haftstrafe bereits nach Verurteilung in zweiter Instanz angetreten wird, auch wenn ein letzt­instanzliches Urteil noch aussteht. Der Oberste Gerichtshof könnte allerdings entscheiden, dass Lula bis zur Ausschöpfung aller Rechtsmittel in Freiheit bleibt.

Der Kontext

Lula, der der linken Arbeiterpartei PT angehört, wird vorgeworfen, während seiner Amtszeit zwischen 2003 und 2010 einem Baukonzern einen Millionenauftrag des staatlichen Ölkonzerns Petrobras verschafft und dafür ein Luxus­apartment erhalten zu haben. Lula hat die Vorwürfe stets bestritten. Für die am 7. Oktober dieses Jahres angesetzten Wahlen hat die PT Lula erneut als Spitzenkandidaten nominiert – und in den Umfragen führt er. Auch der derzeitige konservative Präsident Michel Temer, der das Amt im August 2016 übernommen hatte, nachdem die ebenfalls von der PT gestellte Präsidentin vom Parlament unter fadenscheinigen Argumenten abgesetzt worden war, hat erklärt, erneut kandidieren zu wollen. Laut Umfragen hat Lula gute Chancen, erneut gewählt zu werden – wenn er denn nicht im Gefängnis sitzt.

Die Reaktionen

Schon das Urteil von Ende Januar war im Land, aber auch international auf scharfe Kritik gestoßen. Auch in Brasiliens Nachbarländern wird bei einer Inhaftierung des populären Ex-Präsidenten eine Destabilisierung des größten lateinamerikanischen Landes befürchtet. Zudem wird die Beweislage kritisiert, die durchaus nicht eindeutig sei. Für ­Lulas Anhänger ist die Sache eindeutig: Das ganze Verfahren ist eine Farce, um Lula politisch kaltzustellen.

Die Konsequenz

Lula und das Verfahren gegen ihn polarisieren. Sollte der 72-jährige Ex-Präsident nach dem 4. April tatsächlich ins Gefängnis müssen, fehlt der linken PT ihr wichtigstes Zugpferd. Gleichzeitig dürften seine Anhänger die Inhaftierung nicht ohne Weiteres hinnehmen. Schon am Montag kam es in Porto Alegre laut Berichten des Portals amerika21 zu wütenden Protesten seiner Anhänger – und Gegendemonstrationen seiner Gegner. Am Sonntag wurde Lulas Wahlkampfbus mit Steinen angegriffen, auch bei einer Kundgebung musste der Kandidat vor Wurfgeschossen geschützt werden. Die Folgen für das politische System Brasiliens, sollte Lula inhaftiert werden, die Regierung Temer, der ebenfalls massiv Korruption vorgeworfen wird, aber im Amt bleiben, sind kaum zu unterschätzen.

Bernd Pickert