Bäckerei ignoriert Arbeitnehmerrechte: Kleine Brötchen für Verkäuferinnen

Die 30 Filialen starke Bäckerei Rector in Ostfriesland kürzt ihren Mitarbeiterinnen seit Januar ohne deren Zustimmung den Lohn – unter anderem.

Eine Verkäuferin in einer Bäckerei greift nach dem Brot in einem Regal.

Würde sie bei Rector arbeiten, hätte diese Verkäuferin gerade einige Sorgen Foto: dpa

BREMEN taz | Rund 200 Angestellte der Bäckerei Rector mit Hauptsitz im ostfriesischen Georgsheil müssen seit Januar auf einen guten Teil ihres Lohns verzichten: Statt 11,20 Euro in der Stunde verdienen sie nun nur noch 9,50 Euro.

Der Grund: finanzielle Probleme des Filial-Betriebes. Die soll Rector auch noch mit allerlei anderen arbeitsrechtswidrigen Methoden zu kompensieren versuchen: So soll das Unternehmen seinen Angestellten keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gewähren, Teilzeitbeschäftigen Urlaubstage verweigern und Geld für Arbeitskleidung vom Lohn abziehen.

„Die Lohnkürzung betrifft Verkäuferinnen in den Filialen, die seit mehr als vier Jahren dort tätig sind“, sagt Christian Wechselbaum von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Im Januar habe die Geschäftsführung zu einer Mitarbeiterversammlung eingeladen und verkündet, dass es ab sofort weniger Geld gebe. „Und das galt dann auch schon direkt für den Januar – es gab also nicht einmal Vorlaufzeit“, sagt Wechselbaum.

Dabei handelt es sich bei den Löhnen um Tarifansprüche: „Wenn der Betrieb in finanzieller Schieflage ist, muss er mit der NGG und der Bäcker-Innung einen Sanierungsvertrag abschließen“, sagt Wechselbaum. Zuvor müsse das Unternehmen in Form von Zahlen beweisen, dass es keinen anderen Weg als eine Lohnkürzung gebe: „Und dann muss der Sanierungsvertrag unter Zustimmung der Mitarbeiter aufgesetzt werden, und zwar befristet.“ All das sei hier übergangen worden.

Auch, nachdem ihn die NGG über das übliche Prozedere aufgeklärt habe, beharre Rector auf seiner Vorgehensweise: „Wir haben dem Unternehmen einen Minimalkompromiss angeboten – aber selbst der wurde abgelehnt“, sagt Wechselbaum. Dieser „Minimalkompromiss“ würde bedeuten: Wer zum Erhalt seines Arbeitsplatzes freiwillig auf Lohn verzichten will, darf das tun. Aber wer das nicht will, muss das Recht haben, nein zu sagen, ohne mit Versetzung, Stellenkürzung oder anderen Strafen rechnen zu müssen.

Anja Rector, Geschäftsführerin der Bäckerei Rector

„Es gibt überhaupt kein Problem, hier ist alles paletti – wir haben mit unseren Damen intern alles geklärt“

„Niemand von den Angestellten will seinen Arbeitsplatz verlieren“, sagt Wechselbaum. Und natürlich liege es auch nicht im Interesse der Gewerkschaft, dass das Unternehmen pleite mache – schließlich arbeiten dort insgesamt fast 300 Menschen. Aber angesichts ihres ohnehin niedrigen Lohns könnten es sich viele schlicht nicht leisten, nun auch noch auf Geld zu verzichten.

Zumal gerade im Verkauf sehr viele der Angestellten nur auf Teilzeitbasis arbeiten – und bei Rector offenbar auch sonst keine sonderlich guten Arbeitsbedingungen haben: „Mitarbeiter haben uns berichtet, dass sie keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhalten oder dass 450-Euro-Kräfte keinen Urlaub bekommen“, sagt Wechselbaum. „Das ist rechtswidrig.“ Berichtet werde auch von Pausenzeiten, die abgerechnet würden, obwohl diese Pausen wegen des Arbeitsdrucks und Personalmangels nie genommen worden seien.

Wechselbaum hofft, dass sich die Geschäftsführung nach Ostern vielleicht doch noch gesprächsbereit zeigt: „Denn natürlich ist die Scheu der Angestellten groß, gegen ihren eigenen Arbeitgeber vor Gericht zu ziehen.“ Viele hätten Angst, ihren Job zu verlieren. „Und viele arbeiten befristet oder in Teilzeit und wollen gern entfristet werden oder ihre Stellen aufstocken“, sagt Wechselbaum. Das klappt nicht, wenn man aufmüpfig wird.“ Deswegen sei die NGG auch nicht in allen 30 Rector-Filialen gleich gern gesehen.

Schlecht vernetzte Mitarbeiter

„In den Bäckerei-Filialen in Ostfriesland und Oldenburg gibt es nirgendwo einen Betriebsrat“, sagt Wechselbaum. Neben der Sorge um den Arbeitsplatz seien die Mitarbeiter dafür untereinander auch zu wenig vernetzt: „Jeder schaut auf sich“, sagt Wechselbaum. Die Kollegen in der einen Filiale kennten die in der anderen überhaupt nicht.

Bei Rector komme erschwerend hinzu, dass der Senior- Chef ein „Arbeitgeber vom alten Schlag“ sei: „Der sagt, das haben wir hier immer schon so gemacht“, berichtet Wechselbaum. Dessen Tochter Anja Rector, die seit 2016 Geschäftsführerin ist, scheint den Betrieb in seinem Sinne weiterzuführen. Auf Anfrage der taz sagt sie: „Es gibt überhaupt kein Problem, hier ist alles paletti – wir haben mit unseren Damen intern alles geklärt.“ Und weitere Fragen beantworte sie nicht: „Wenden Sie sich an Johann Doden vom Arbeitgeberverband.“

Der findet es „befremdlich“, dass die NGG „mit internen Sachen an die Öffentlichkeit geht.“ Schließlich sei man ja seit knapp zwei Wochen mit der Bäcker-Innung dabei, „unter Einsatz eines Betriebsberaters und auf Basis gesicherter Zahlen, Lösungen herbeizuführen“. Auf die Frage, ob es nicht üblich sei, erst einen Betriebsberater einzuschalten und erst dann, eben auf Basis gesicherter Zahlen, über die Option Lohnkürzungen nachzudenken, räumt er ein: „Es gibt sicherlich Wege, die besser oder optimaler sind.“

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