Ostern in der Hauptstadt der Atheisten: An den Feiertagen fest verplant

Einem Außenstehenden zu erklären, warum man als praktizierender Christ an Ostern nur beschränkt Zeit hat, ist keine einfache Angelegenheit.

Auch ein Stück Tradition: Die bemalten Ostereier Foto: dpa

Kommste Donnerstagabend mit in die Kneipe?, fragt der neue Bekannte. Nee, geht nicht. Und Freitagnachmittag zum Kaffee? Passt leider auch nicht. Aber Samstagabend, wenn Kollege feiert, da biste doch dabei. Tja, wie gesagt … Und Ostermontag mit dem Rennrad? Nein, da bin ich nach Emmaus unterwegs.

Spätestens das ist der Zeitpunkt, zu dem alljährlich in vorösterlichen Tagen das Gespräch wegen Genervtheit des Gegenübers abbricht – oder in größere Tiefen eintauchen muss. Und es ist der Moment, um in der katholischen Diaspora Berlin – der oft so genannten Hauptstadt der Atheisten – Farbe zu bekennen und zu seinem Glauben zu stehen. Zugespitzt gesagt: Zeugnis abzulegen.

Also: Der heutige Tag ist Gründonnerstag, und da geht es abends in den christlichen Kirchen um die Feier des letzten Abendmahls Christi mit seinen Jüngern – also jene Situation, die dank Leonardo da Vincis weltberühmtem Gemälde auch außerhalb von Kirchenkreisen bekannt ist. Im katholischen Ritus wäscht dabei der Pfarrer zwölf Männern und Frauen aus der Gemeinde die Füße – so wie es dem Evangelium zufolge Jesus am Vorabend seiner Kreuzigung bei seinen Jüngern tat.

Das kommt dann bei manchem Zuhörer richtig skurril rüber – wieder so ein katholisches Brimborium. Und es wird noch schlimmer, wenn zu erklären ist, warum es am nächsten Tag, dem Karfreitag, zur Kaffeezeit auch nicht passt: Um 15 Uhr, zur überlieferten Sterbestunde Jesu, steht der am traurigsten anmutende und stillste Gottesdienst des ganzen Jahres an, ohne Glocken und Orgelspiel, nur mit hölzernen Klappern.

Und Samstagabend geht halt nicht wegen der Feier der Osternacht. Da gucken Anwohner schon mal skeptisch wegen des Feuers vor dem Gotteshaus, aus dem zu Beginn der Feier ein Licht angezündet und singend in die dunkle Kirche getragen wird. Ein bisschen Party ist später auch noch, heißt bloß „Agape“ und ist nicht im Berghain, sondern mit Brot und Wein im Gemeindesaal.

Bleibt schließlich noch die Frage, wo denn dieses Emmaus ist, wo es am Ostermontag hingeht. Vielleicht könnte man ja da auch mit dem Rennrad hinfahren? Nee, ist nur symbolisch gemeint, wäre ein bisschen weit, weil in Palästina: Der Überlieferung nach waren nach dem Tode Jesu zwei Jünger von Jerusalem aus dorthin unterwegs, trafen den auferstandenen Jesus, erkannten ihn aber erst abends beim Essen. Woraus sich mancherorts ein gemeinschaftlicher Spaziergang am Ostermontag entwickelt hat, teils mit Gebeten und Gesang, teils schweigend.

Das alles zu erklären dauert. Und kann anstrengend sein, vor allem wenn der Gesprächspartner wahlweise belustigt guckt oder zunehmend den Kopf schüttelt. Ist ja vielleicht auch alles nicht ganz einfach bei einem Glauben, der darauf basiert, dass sich Gottes Sohn hingibt und aufersteht und die im Gottesdienst ausgeteilte kleine Oblate, die Hostie, sein Fleisch ist.

Schön ist es, wenn es beim Lächeln oder Kopfschütteln bleibt und keine Verbalinjurie folgt. Schließlich ist Berlin ja nicht nur Hauptstadt der Atheisten, sondern angeblich auch Hauptstadt der Toleranz – auch wenn das manchmal schwer zu merken ist.

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