Ist „Rebellion“ nach deutschem Recht „Hochverrat“?

Das Oberlandesgericht Schleswig muss entscheiden, ob Kataloniens Expräsident Carles Puigdemont nach Spanien ausgeliefert wird – klar ist das nicht

Von Christian Rath

Die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig hat am Dienstag einen Auslieferungshaftbefehl gegen den ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont beantragt. Doch das ist nur ein Schritt in einem mehr-aktigen Verfahren.

Schon jetzt sitzt Puigdemont in deutscher Haft. Er wurde vor zehn Tagen aufgrund eines spanischen Ersuchens auf einer deutschen Autobahn festgenommen. Daraufhin hat eine Richterin am Amtsgericht Neumünster eine Festhalteanordnung erlassen. Dabei hat sie im Wesentlichen nur die Identität Puigdemonts geprüft. Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig hat nun beantragt, Puigdemont für die Dauer des Auslieferungsverfahrens in Haft zu lassen, weil Fluchtgefahr bestehe. Über die Auslieferungshaft wird in den nächsten Tagen das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig entscheiden. Dabei prüft das OLG nicht nur, ob tatsächlich Fluchtgefahr vorliegt, sondern auch, ob die Auslieferung „von vornherein unzulässig erscheint“. Letzteres wird das OLG voraussichtlich verneinen.

Im nächsten Schritt wird die Generalstaatsanwaltschaft den Antrag stellen, die Auslieferung für rechtlich zulässig zu erklären. Daran ist nach der Begründung des Antrags auf Auslieferungshaft nicht zu zweifeln. Die Generalstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Delikte, die Puigdemont von Spanien vorgeworfen werden, auch in Deutschland strafbar sind. Der vorgeworfenen „Rebellion“ entspreche in Deutschland der „Hochverrat“. Die „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ könne in Deutschland als „Untreue“ bestraft werden.

Die entscheidende Weichenstellung ist, ob das OLG Schleswig die Auslieferung für rechtlich zulässig erklärt oder nicht. Dabei geht es nur um Rechtsfragen. Ob eine Auslieferung oder deren Verweigerung den Konflikt anheizt, darf hier (zumindest offiziell) keine Rolle spielen.

Bei der Prüfung am OLG stehen zwei Rechtsfragen im Mittelpunkt. Zum einen muss das OLG klären, ob das Verhalten, das Puigdemont konkret vorgeworfen wird (Durchführung eines Referendums trotz zu befürchtender Gewalt), auch bei uns als Hochverrat strafbar wäre. Oder anders formuliert: Würde die Inkaufnahme von Gewalt bei uns als Ausübung von Gewalt gewertet? Das ist sehr zu bezweifeln.

Zum anderen muss das OLG auch klären, ob Puigdemont im Fall seiner Auslieferung wegen seiner politischen Anschauungen in Spanien bestraft oder sonst nachteilig behandelt wird.

Wenn eine Auslieferung wegen Rebellion als unzulässig eingestuft wird, kann dennoch eine Auslieferung wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder zulässig sein. Dann dürfte Puig­demont in Spanien aber nur deshalb vor Gericht gestellt werden (Grundsatz der Spezialität). Möglicherweise hat Spanien an einem Schmalspurprozess kein Interesse und zieht den Haftbefehl dann zurück, so wie schon im Dezember, als von Belgien die Auslieferung begehrt wurde.

Gegen die Entscheidung des OLG könnte Puigdemont nur noch Verfassungsbeschwerde einlegen. Das Bundesverfassungsgericht könnte die Auslieferung stoppen, obwohl es hier um die Anwendung von EU-Recht geht, so ein Grundsatzurteil von 2015. Karlsruhe müsste dann „begründete ­Anhaltspunkte“ feststellen, dass in Spanien die Menschenwürde Puigdemonts oder die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens nicht gewahrt sind.

Die Bundesregierung hat im ganzen Verfahren nichts zu sagen. Sie hat ihre Zuständigkeiten beim Europäischen Haftbefehl schon 2004 in einer Vereinbarung an die Länder abgetreten. Für die abschließende Bewilligung der Auslieferung ist daher wieder die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig zuständig. Beim EU-Haftbefehl geht es dabei ohnehin nur noch um formale Fragen.