Völkerrechtler über Handelskriege: „Auch Deutschland hatte Schutzzölle“

Was sie schon immer über Handelskriege wissen wollten: Der Erlanger Völkerrechtler Markus Krajewski erklärt die Grundlagen.

Viele Container werden verladen

Zölle für Importe sind typische Mittel, mit denen Staaten ihre Beziehungen regeln Foto: chuttersnap/Unsplash

taz: Herr Krajewski, jetzt mal für alle, die keine Weltwirtschaftsexperten sind – der „Handelskrieg“ zwischen den USA und Europa ist erst mal abgesagt, oder?

Markus Krajewski: Von einem Handelskrieg sollte man nicht vorschnell sprechen – aber einen Konflikt gibt es natürlich. Und der ist auch noch nicht abgesagt. Die USA haben die Schutzzölle gegenüber der EU ja nur vorläufig ausgesetzt, und das nur nach bilateralen Verhandlungen. Die Welthandelsorganisation (WTO), die eigentlich zuständig wäre, musste zuschauen.

Der Konflikt zwischen den USA und der EU hat sich hochgeschaukelt. US-Präsident Donald Trump drohte mit höheren US-Zöllen für Stahlimporte. Die EU-Kommission stellte zusätzliche Abgaben für US-Whisky, Jeans und Motorräder in Aussicht. Dabei sind Zölle doch ganz normal, oder?

Zölle für Importe sind tatsächlich typische Mittel, mit denen Staaten ihre Beziehungen regeln. Ausländische Produkte werden dadurch teurer. Das schützt einheimische Waren und Industrien vor Konkurrenz. Außerdem erzielen Regierungen Einnahmen, indem sie Zölle erheben. Das ist besonders wichtig für ärmere Länder, in denen das Eintreiben von Einkommens- oder Mehrwert­steuern schwierig ist.

Welche Nachteile haben diese Importsteuern?

Die Endverbraucher zahlen drauf, weil im Preis auch der Zoll enthalten ist. Und liegt die Abgabe beispielsweise bei 100 Prozent, werden ausländische Produkte vielleicht gar nicht mehr verkauft. Bürger und Industrie müssen sich dann mit qualitativ möglicherweise schlechteren Waren aus dem Inland begnügen.

Gibt es Beispiele für sinnvolle Zölle?

Dass Staaten wie England oder Deutschland im 19. Jahrhundert starke Industrien entwickelten, hatte auch mit Schutzzöllen zu tun. Das Deutsche Reich erhob zum Beispiel Abgaben auf Eisenimporte. Krupp und Thyssen freuten sich. Südkorea ging in jüngerer Zeit einen ähnlichen Weg.

Die EU sagt: Wir sind für Freihandel. Verhält sie sich entsprechend oder betreibt sie selbst Protektionismus?

ist Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Universität Erlangen. In den Auseinandersetzungen um die Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada unterstützte er die Kritiker mit Gutachten.

Auch die EU schützt eigene Branchen vor Konkurrenz. Der Zoll auf Rohkaffee ist niedrig, auf Kaffeepulver dagegen hoch. Afrika und Südamerika erschwert die EU damit, eigene Verarbeitungsindustrien aufzubauen. Diese lukrative Veredelungsstufe will man lieber selbst betreiben.

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen viele Staaten das Gatt-Abkommen. Heute gibt es die Nachfolgeorganisation WTO. Dabei geht es immer darum, die Zölle weltweit zu senken. Haben wir von dieser Politik nicht alle profitiert?

Wer ist mit „wir“ gemeint? Arbeiter in Stahlwerken des Ruhrgebiets oder Näherinnen der Textilindustrie eher nicht. Viele Arbeitsplätze in diesen Branchen sind hierzulande verloren gegangen, weil Unternehmen in China oder Pakistan billiger fertigen und ihre Produkte ohne hohe Zölle in Europa verkaufen. Die hiesigen Verbraucher jedoch profitieren von günstigen Preisen. Und unter dem Strich kann ein Staat wie Deutschland insgesamt Vorteile verbuchen. Jobs mit niedrigen Löhnen werden durch höher qualifizierte Tätigkeiten ersetzt. Wenn auch die staatliche Umverteilung von Wohlstand gut funktioniert, haben alle genug zum Leben. In Wohlfahrtsstaaten sind Zölle nicht so wichtig.

Warum sind Linke oft gegen Freihandelsabkommen, durch die die Zölle sinken?

Bei solchen Verträgen geht es heute weniger um Zölle – die sind sowieso schon niedrig, sondern um andere staatliche Regulierungen. So verlangen US-Fleischproduzenten, dass die EU bestimmte Hormone akzeptiert, die sie bei der Rinderzucht ­einsetzen. Verbraucherschützer machen sich deshalb Sorgen um die Qualität des Fleischs. Die Frage ist also: Wer hat das Sagen – demokratisch gewählte Regierungen oder die Wirtschaft?

Auch Rechte wie US-Präsident Donald Trump greifen den Freihandel an. Müsste man da nicht sagen: Freihandel ist gut, aber bitte unter bestimmten Bedingungen?

Freihandel kann Vorteile bieten, aber man muss ihn gestalten. Manchmal mag es richtig erscheinen, inländische Produkte und Branchen zu schützen, um soziale Verwerfungen zu begrenzen.

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