Kritik am „Sicherheitspaket“ in Österreich: Kurz' kryptische E-Mails

Das Peng!-Kollektiv hat die E-Mail-Adressen aller österreichischen Parlamentarier verschlüsselt. Die Aktion gilt einem geplanten Gesetz.

Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz am Telefon

Obwohl er Datenschutz so mittel findet, kann Sebastian Kurz (ÖVP) jetzt auch verschlüsselt mailen Foto: dpa

BERLIN taz | Den Abgeordneten soll es so einfach wie möglich gemacht werden: Keine zehn Minuten Fußweg vom Parlament entfernt können sie – unter Vorlage ihres Ausweises – ihren Schlüssel abholen. So formuliert es das Peng!-Kollektiv in einer Erklärung mit der Überschrift: „Wir verschlüsseln die Emails von Österreichs Parlament“. Verschlüsselt wurde schon, inzwischen sind die E-Mail-Adressen aller Abgeordneten sowie des Bundespräsidenten auch kodiert erreichbar. Entsprechende Informationen und die Codes zur Kontaktaufnahme liefert das Künstlerkollektiv gleich mit. Die unverschlüsselten Accounts funktionieren problemlos weiter.

Aber warum „schenken“ die AktivistInnen dem Parlament nun die Verschlüsselung der Mailadressen? Ende Februar beschloss die Koalition aus ÖVP und FPÖ ein „Sicherheitspaket“ mit zum Teil gravierenden Einschnitten in die Persönlichkeitsrechte der BürgerInnen. Inhaltlich geht es um die Klassiker: verstärkte Video-Überwachung im öffentlichen Raum, Registrierungen von Prepaid-Handys, Vorratsdatenspeicherungen und digitale Überwachung von Kommunikation im Internet durch staatliche Spionagesoftware, den sogenannten Bundestrojaner. NetzaktivistInnen sehen vor allem die freie Online-Kommunikation per Whatsapp, Skype oder Signal bedroht.

Bereits im letzten Jahr plante die konservative ÖVP, ihr „Sicherheitspaket“ durchzusetzen. Damals scheiterte dies am massiven Druck des damaligen Koalitionspartners SPÖ. Nun, mit der rechspopulistischen FPÖ an Bord, scheint die Umsetzung reine Formsache zu sein. Am Mittwoch wurde das Papier vom Ministerrat beschlossen und wandert in den Innenausschuss des Nationalrats. Bereits ab Juni könnten die ersten Maßnahmen in Kraft treten.

PGP-Verschlüsselung („Pretty Good Privacy“) ist bei Menschen, die sensible Informationen verschicken, längst gang und gäbe. Neben politischen AktivistInnen oder JournalistInnen können nun österreichische ParlamentarierInnen die Vorteile der kryptischen Mails kennenlernen. Einmal eingerichtet ist eine Kommunikation per PGP so unproblematisch wie „normaler“ Mail-Verkehr, nur eben vor unerwünschten Augen geschützt.

Der Verfassungsschutz prüft

Die eingerichteten PGP-Schlüssel dienen dazu, E-Mails kodiert zu verschicken. Geheimdienste oder E-Mail-Provider können Mails so nicht mitlesen. Eine digitale Signatur stellt außerdem sicher, dass die Mail wirklich vom angegebenen Absender stammt. Kurzgefasst funktioniert das PGP-Prinzip nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Der Public Key, das Vorhängeschloss, kann nur mit dem Secret Key, dem privaten Schlüssel, geöffnet werden.

Vom 4. bis zum 6. April können die privaten Schlüssel zu den „normalen Behördenzeiten“ empfangen werden. „Wenn die ParlamentarierInnen ihren Schlüssel nicht abholen, könnte die parlamentarische Kommunikation langfristig eingeschränkt werden“, warnen die VertreterInnen von Peng!. Bisher hätten sich 46 PolitikerInnen gemeldet, einer ist sogar vorbeigekommen. „Wir werden wohl noch weitere Zeiten zur Schlüsselübergabe anbieten müssen“, verraten die AktivistInnen, insgesamt wurden 271 Schlüssel erstellt. Außerdem raten die DatenschützerInnen den Abgeordneten sich dringend, einen neuen PGP-Schlüssel zuzulegen. Ihrer sei Peng! schließlich bekannt.

Die Aktion rief nun auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auf den Schirm. Ein Sprecher bestätigte der taz, dass eine strafrechtliche Relevanz zur Zeit geprüft werde. Das Künstlerkollektiv gibt sich unbeeindruckt: „Dass in Österreich der Verfassungsschutz nun Kunst im Parlament jagt, wundert uns nicht.“

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