Ein Schiff, das Segel und Zeichen setzt

Schweröltanker belasten die Umwelt. Die „SV Brigantes“ will Ware mit dem Wind nach Europa bringen. Sie wäre einer der ersten emissionsfreien Überseetransporter der Welt

Noch liegt das Schiff im sizilianischen Hafen Foto: Brigantes

Von Ute Scheub

Ohne Motor und Emissionen: Oscar Kravina und Carlos Porten schwärmen von „Segeln pur“. Im sizilianischen Hafen Trapani bauen die beiden eine historische Brigantine aus dem Jahr 1911 um – eine Schonerbrigg mit zwei Masten und einem genieteten Stahlrumpf. Neben einem handwerklich aufwändigen Um- und Rückbau erhält das Schiff eine moderne Stromversorgung mittels Solarpanels und aerodynamischen Turbinen.

Ab Frühjahr oder Sommer 2019 soll die „SV Brigantes“ dann ökofaire Waren wie Schokolade oder Kaffee von der Karibik nach Europa transportieren. Damit wäre sie einer der ersten emissionsfreien Überseetransporter der Welt: Segeln statt Schweröl.

Das „Brigantes“-Team ist international und besteht aus vielen Quereinsteigern. Oscar Kravina aus Südtirol hat jahrelang im Filmgeschäft gearbeitet und eine Bootsbaulehre absolviert. Sein Bruder Daniel führt ein Kulturzentrum in Wien. Tobias Blome aus Glücksstadt ist Schiffsbauingenieur. Der gebürtige Peruaner Oscar Porten leitete ein Restaurant in Bulgarien, lebt nahe Stuttgart und kennt sich im ökofairen Handel aus. Die italienische Architektin Alessia Rossetto arbeitet im Bereich sozialen Medien. Und Projektgründer Guiseppe Ferrari absolvierte seine Kapitänslehre an Bord der „Brigantes“, als sie noch „Onice“ hieß und zwischen Sizilien und der Insel Pantelleria fuhr. Ihr Schwesterschiff, die gleichzeitig mit ihr gebaute „Eye of the Wind“, ist übrigens weltberühmt. Sie hatte Auftritte in mehreren Kinofilmen.

Ein Netzwerk

Carlos Porten weiß, dass Segelware mit modernen Containerschiffen nicht konkurrieren kann: Der Transport eines Kilogramms Kaffee von Brasilien nach Hamburg koste den Frachter etwa 10 Cent, die Kosten auf dem Segler seien 20-mal so hoch, sagt er. „Wir werden mit unserem Schiff Nischenmärkte bedienen“, räumt er ein. Aber er wagt auch zu träumen: Wenn immer mehr solcher Segelschiffe unterwegs seien, entstehe ein Netz von kleineren Handelsknotenpunkten, und die Kosten würden sinken. Und: „In den Häfen könnten sich Kaffeeröstereien und kleine Delikatessläden ansiedeln“, ergänzt Oscar Kravina. So wie im französischen Hafen Douarnenez, wo die Firma TOWT 2016 einen Laden für derartige Segelware eröffnete. Der Name: „Au cul du voilier“, übersetzt: im Hintern, oder höflicher, im Heck des Segelschiffs.

Mit TOWT und weiteren Pionieren haben sich die Brigantes-Gründer zur „Sail Cargo Alliance“ zusammengeschlossen, „im Geist der Kooperation“, wie sie betonen. Dazu gehören auch die „Tres Hombres“, die bereits 2007 von drei niederländischen Freunden gegründet wurden, die seit zehn Jahren mit ihrem gleichnamigen Segler sowie der „Nordlys“ erfolgreich Wein und Rum über den Atlantik schippern. Ihr radikaler Anspruch: kein Motor, null Emissionen. Und dazu gehört das Schiff „Avontuur“ des deutschen Kapitäns Cornelius Bockermann, der 2016 zur Allianz stieß. Deren Ziel ist es, „eine gesunde Transportkultur zu schaffen, die den Erhalt der Umwelt für kommende Generationen fördert“.

Viele Miteigentümer

Finanzieren soll sich das Projekt auch durch die Mitnahme von Trainees und Passagieren – Segelmanöver inclusive

Laut Businessplan kostet der Umbau der „SV Brigantes“ rund 870.000 Euro. Finanziert werden soll das Projekt durch Spenden, Freiwilligenarbeit und Crowdinvesting. Das Gründerteam bietet Interessierten an, 800 von insgesamt 1.600 Firmenanteilen zu jeweils 1.000 Euro zu kaufen. „Etwa ein Drittel der Summe ist schon zusammen“, sagt Oscar Kravina. In der Schifffahrt hat solch ein Finanzierungsmodell durchaus Tradition: „Partenreedereien“ lebten davon, Anteile zu verkaufen. Die Miteigentümer der haftungsbeschränkten „SV Brigantes Shipping Limited“ sollen ein Mitspracherecht sowie Dividende erhalten und an „maritimen Großevents“ teilnehmen dürfen.

Finanzieren soll sich das Projekt auch durch Mitnahme von Trainees und Passagieren. In dem 30 Meter langen Schiff ist neben einer Warenladung von 160 Tonnen Platz für die siebenköpfige Stammcrew und weitere zehn zahlende Mitreisende. Segelsetzen und Segelmanöver inclusive.

Dem Projekt geht es aber auch um Aufklärung. Kaum jemand weiß, welche gigantischen Umweltschäden die mit Schweröl fahrenden Containerschiffe hinterlassen – Schweröl ist ein billiger Abfallstoff der Raffinerien. Schwerölschiffe emittieren riesige hochgiftige Mengen an Schwefeldioxid, Stickoxiden, Feinstaub, Ruß und Schwermetallen, die Meere verschmutzen und auf Hafenstadtbewohner niedergehen. Laut einer Studie des dänischen Center for Energy, Environment and Health (CEEH) fordert das jährlich rund 50.000 vorzeitige Tote allein in Europa. Ein extrem hoher Preis für Billigwaren. Höchste Zeit also, Alternativen zu entwickeln.