Datenaffäre um Facebook: Abmahnung für Mark Zuckerberg

Datenschützer nehmen dem Facebook-Chef die Beschwichtigungen nicht ab. In den USA muss er sich vor dem Senat rechtfertigen.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg macht ein betroffenes Gesicht

Harte Zeiten für den „Weltverbesserer“: Facebook-Chef Zuckerberg sieht sich in die Enge getrieben Foto: reuters

BERLIN taz | Trotz etlicher reumütiger Entschuldigungen seitens Konzernchef Mark Zuckerberg reißt die Kritik am Geschäftsmodell Facebook nicht ab. Ganz im Gegenteil: „Facebook ist nicht Opfer eines Datenverstoßes geworden, sondern hat diesen eigenverantwortlich erst ermöglicht“, sagte Hamburgs Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar gegenüber der taz. Der jetzt bekannt gewordene Fall sei für ihn nur ein „verschwindend kleiner Ausschnitt“ eines lukrativen Geschäftsmodells.

Grund für Caspars Kritik ist die Zusammenarbeit Facebooks mit App-Anbietern, die Zugriff auf die Nutzer*innen-Daten des Online-Netzwerkes und damit auch auf deren Freunde erhalten haben. Konkret geht es um die Weitergabe von Daten an die britische Analysefirma Cambridge Analytica. Weltweit sind rund 87 Millionen Nutzer*innen betroffen, in Deutschland etwa 310.000. Die Berater Cambridge Analyticas unterstützten unter anderem den Wahlkampf von Donald Trump und waren in die Pro-Brexit-Kampagne vor dem EU-Referendum in Großbritannien involviert.

Der deutsche Firmensitz Facebooks befindet sich in Hamburg. Caspar ist damit zuständig für Beschwerden an das Online-Netzwerk. Auch der Datenschutzbeauftragte hatte von Zuckerberg Antworten auf die Datenaffäre gefordert. „Ein Kaufhaus, das alle Mitarbeiter nach Hause schickt und die Türen öffnet, muss sich nicht wundern, wenn die Waren gestohlen werden“, sagt Caspar. Aber: „Anders als bei einem Kaufhaus, dem die Waren selbst gehören, geht es für ein soziales Netzwerk jedoch nur um persönliche Daten der Nutzer.“

Facebook hat auf Caspars Fragen geantwortet. Aufgrund einer Verschwiegenheitsverpflichtung nennt er jedoch keine Details. Man werde die Aussagen auswerten und das weitere Vorgehen abstimmen, sagt Caspar. Er setzt aber auf eine gemeinsame europäische Reaktion, um das Geschäftsmodell des Online-Netzwerks stärker zu regulieren.

Forderungen nach schärferen Regularien werden lauter

Am Dienstag und Mittwoch tagt die sogenannte Artikel 29-Gruppe in Brüssel. Diese besteht aus Datenschützern, die die EU-Kommission beraten. Die Datenaffäre um Facebook steht ganz oben auf der Agenda des Treffens. Caspar, der auch an dem Treffen teilnimmt, fordert eine weitergehende Debatte auch zu strengeren Regularien. „Es ist ein Unterschied, ob für ein neues Mixgetränk geworben wird oder ob es um die Beeinflussung von Wählern auf Grundlage von Profilbildung geht“, sagt er.

Für ihn steht das Geschäftsmodell, das Facebook und andere nutzen, für nichts Geringeres als die „Manipulierbarkeit der Bürger*innen für politische Zwecke im digitalen Zeitalter“. Caspar spricht sich für Transparenz- und Rechenschaftspflichten aus. Die Anbieter sollen angeben, welche Zielgruppe die angezeigte Werbung hat und wer für die Anzeigen verantwortlich ist. Ob die EU-Datenschutzgrundverordnung, die am 25. Mai in Kraft treten wird, das beinhaltet, ist unklar. EU-Datenschützer schließen Nachbesserungen nicht aus.

Während in der EU noch über strengere Regeln diskutiert wird, muss Facebook-Chef Zuckerberg in den USA bereits vor dem US-Kongress Abbitte leisten. Sicher ist, dass er sich am Dienstag auf scharfe Fragen seitens der Mitglieder des Justiz- und Handelsausschusses des Senats gefasst machen muss. Am Mittwoch folgt dann eine Anhörung im Ausschuss für Energie und Handel. Die Senatoren wollen von Zuckerberg wissen, wie die persönlichen Daten von rund 87 Millionen Nutzer*innen an die Analysefirma Cambridge Analytica weitergegeben werden konnten und wie Missbrauch künftig verhindert werden kann.

Vorab veröffentlichte Zuckerberg eine Erklärung, die er im US-Repräsentantenhaus vortragen wird. Für die Datenaffäre bat er eindrücklich um Entschuldigung. „Es war mein Fehler. Es tut mir leid. Ich habe Facebook gegründet, ich leite die Firma und ich bin verantwortlich für das, was hier passiert ist“, schrieb Zuckerberg.

Facebook-Chef kündigt Investitionen in Sicherheit an

Auch einen Hinweis an die Aktionäre baute er ein. Demnach müssen sie wohl mit weniger Gewinnen rechnen. Laut Zuckerberg dürften „umfangreiche Investitionen in Sicherheit die Profitabilität in nächster Zukunft“ schmälern. Ihm sei der Schutz der Gemeinschaft wichtiger. Facebook gilt mit einem Börsenwert von rund 400 Milliarden US-Dollar als eines der wertvollsten Unternehmen der Welt. Eigenen Angaben zufolge hat das Online-Netzwerk weltweit rund 2,1 Milliarden Nutzer*innen. Zum Konzern gehören auch der Messenger-Anbieter WhatsApp und der Fotodienst Instagram.

Scharfe Reaktionen auf den Datenskandal um Facebook kommen auch von Zuckerbergs Branchenkollegen. Der chinesische Milliardär und Alibaba-Gründer Jack Ma forderte Zuckerberg eindringlich auf, das Problem schnell zu lösen. Er müsse den Fall ernst nehmen, sagte der Online-Unternehmer. Apple-Mitgründer Steve Wozniak deaktivierte gar sein Facebook-Konto. US-Medien zufolge prangerte er an, dass der Konzern Geld mit den Daten seiner Nutzer*innen mache, ohne dass diese davon selbst profitierten.

Zudem raten Grundrechte- und Datenschützer sogenannten „Influencern“, also Nutzer*innen mit mehr als 10.000 Freunden bei Facebook zum Wechsel auf andere Plattformen – etwa auf Diaspora oder Gnu social – sowie zu freien Webdiensten wie Friendica oder Hubzilla. Der Datenskandal wurde vor rund drei Wochen bekannt. Weltweit hat der Fall eine Debatte über die Verwendung und den Handel privater Daten ausgelöst.

Auch die US-amerikanische Verbraucherschutzbehörde FTC und die Generalstaatsanwälte von 37 Bundesstaaten gehen derzeit gegen Facebook vor. Bereits am Montag sollten weltweit die Nutzer*innen, deren Daten abgeflossen sind, über den News Feed ihres Facebook-Kontos benachrichtigtwerden. In der vergangenen Woche hatte Zuckerberg in einer Telefonkonferenz vor Journalist*innen angekündigt, die Nutzer*innen künftig besser über die Verwendung ihrer Daten aufzuklären, sowie den Schutz persönlicher Informationen zu verbessern.

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