Antisemitismus-Vorwürfe gegen Rapper: BMG stoppt Zusammenarbeit

Die Bertelsmann Music Group setzt die Kooperation mit Kollegah und Farid Bang aus. Ein halbherziger Einsatz gegen Antisemitismus.

Kollegah (l.) und Farid Bang (r.) performen gemeinsam bei der Echo-Verleihung 2018.

Beim Echo wurden sie nicht nur ausgezeichnet, sondern durften auch performen: Kollegah und Farid Bang Foto: dpa

BERLIN taz | Vergangene Woche wurden die Rapper Kollegah und Farid Bang für ihr Album „Jung Brutal Gutaussehend 3“ in der Kategorie „Hip-Hop Urban/National“ mit einem Echo ausgezeichnet. Die Textzeile „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ aus dem Song „0815“ löste heftige Kritik und eine Debatte über Antisemitismus im Deutschrap aus. Seit dem vergeht kein Tag ohne eine Reaktion oder Meldung. Marius Müller-Westernhagen gibt seine sieben Echos zurück! Voelkel zieht sich als Sponsor zurück!! Helene Fischer fordert bei Facebook, dass die Verantwortlichen die Umsetzung des Echos überdenken!!! Und jetzt das: Die Bertelsmann Music Group (BMG) kündigt an, die Zusammenarbeit mit Kollegah und Farid Bang vorerst beenden zu wollen.

Gegenüber der FAZ begründet Vorstandschef Hartwig Masuch die Entscheidung des Plattenlabels: „Wir hatten den Vertrag über ein Album. Jetzt lassen wir die Aktivitäten ruhen, um die Haltung beider Parteien zu besprechen.“ Eine kleine Entschuldigung gab es auch noch hinterher.

Wie ernst es ihnen mit ihrer Entschuldigung ist, zeigt BMG in ihrer Äußerung gegenüber Zeit Online: „Zweifellos haben einige Songtexte auf JBG3 viele Menschen zutiefst verletzt. Andererseits waren viele Menschen ganz klar nicht so sehr verletzt, insofern, dass es zu einem der meistverkauften Alben des vergangenen Jahres in Deutschland wurde.“ Übersetzt also: Wenn du dich verletzt fühlst, sorry. Wenn nicht, geil, kauf das Album! Da bringt auch kein „wir distanzieren uns von jeder Form von Antisemitismus“ was.

So halbherzig wie ihre Entschuldigung ist auch ihr Einsatz gegen Antisemitismus. Gemeinsam mit „sachverständigen Organisationen“ sollen Projekte gegen Antisemitismus umgesetzt werden. Dafür stellt BMG 100.000 Euro zur Verfügung. 100.000 Euro. Allein in der ersten Woche nach der Veröffentlichung von „JBG 3“ wurden die Box-Sets 70.000 mal verkauft – das heißt ein Umsatz von 3,5 Millionen Euro in nur sieben Tagen. 2,86 Prozent ihres Gewinns aus einer Woche setzt das Tochterunternehmen des deutschen Medienkonzern Bertelsmann einmalig für Projekte gegen Antisemitismus ein. Wow! In der gleichen Zeit wurde das Album über 38 Millionen mal gestreamt. Diese finanziell erfolgreiche Verkaufswoche machte BMG zum umsatzstärksten Recordlabel Deutschlands. Und das nur dank Kollegah und Farid Bang.

Auch der Vertreiber ist mitverantwortlich

In den Text reingehört hatte damals wohl keiner von BMG. Oder sie dachten, solange wir Geld damit machen, sind auch antisemitische Textzeilen für uns in Ordnung. Ist ja alles künstlerische Freiheit. Doch wer Musik vertreibt, ist auch für die Inhalte mitverantwortlich. BMG als einzigen Sündenbock hinzustellen, ist nicht die Lösung. Doch wer ist verantwortlich? Die Echo-Jury? Die Hörer*innen? Es sind alle die, die seit Jahren wegsehen und erst durch den Echo begreifen, dass Antisemitismus in Deutschland, und zwar nicht nur im Rap, zum Alltag gehört.

Die Debatte muss über eine kritische Textzeile hinausgehen und auch Kollegah und Farid Bang dürfen nicht als Einzelfall behandelt werden

Das Gute an den täglichen Meldungen und Reaktionen ist dennoch, dass die Debatte über Antisemitismus in der Musik weitergeführt wird. Doch sie muss über eine kritische Textzeile hinausgehen und auch Kollegah und Farid Bang dürfen dabei nicht als Einzelfall behandelt werden. Denn auch erfolgreiche Rapper, wie Haftbefehl oder P.A. Sports, verbreiten in ihrer Musik und in Sozialen Medien munter antisemitische Verschwörungstheorien. Und auch die aktuellen Vorfälle an Schulen und auf offener Straße gegen Jüdin*innen in Berlin zeigen, wie weitreichend das Problem ist.

Es bleibt zu hoffen, dass die aktuelle Debatte Menschen sensibilisiert, genauer hinzuhören und hinzusehen. Wie viel Echo-Zurückgaben, Plattenlabel-Kündigungen und Entschuldigungen bewirken, muss sich erst noch zeigen.

Wie viel ein Ausschluss von der Echo-Verleihung bewirken kann, wird durch die umstrittene Rockgruppe Frei.Wild deutlich. 2013 wurde ihr Nähe zu rechtem Gedankengut vorgeworfen und nach Protesten wurde die Nominierung für ihr Album zurückgezogen. 2016 wurden sie dann doch in der Kategorie „Rock/Alternative National“ ausgezeichnet und in dieser Woche steht sie mit ihrem neuen Album auf dem ersten Platz der deutschen MTV-Albumcharts.

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Ressortleitern bei taz zwei - dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Schreibt hauptsächlich über intersektionalen Feminismus, (digitale) Gewalt gegen Frauen und Popphänomene. Studium der Literatur- und Kulturwisseschaften in Dresden und Berlin. Seit 2017 bei der taz.

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