Seenotrettung im Mittelmeer: Die Iuventa kommt nicht frei

Das Schiff der Hilfsorganisation Jugend Rettet bleibt beschlagnahmt. Das entschied am Dienstag das oberste italienische Gericht in Rom.

Ein Schiff mit blauem Rumpf. Es trägt den Namen Iuventa

Am Tag nach der Beschlagnahme im August 2017: die Iuventa im Hafen von Lampedusa Foto: dpa

BERLIN taz | Es ist ein herber Schlag für die Hillfsorganisation Jugend Rettet: Ihr Schiff, die Iuventa, bleibt beschlagnahmt. Das Kassationsgericht in Rom, die oberste juristische Instanz in Italien, hat den Einspruch der Organisation abgelehnt und die Entscheidung der Vorinstanz im sizilianischen Trapani von letztem September bestätigt. Eine Revision ist nicht möglich. Die juristischen Mittel, in Italien gegen die Beschlagnahmung des Schiffs vorzugehen, sind damit ausgeschöpft.

„Wir sind erschüttert und wütend“, kommentierte Philipp Külker, Sprecher von Jugend Rettet, die italienische Entscheidung bei einer Pressekonferenz der Hilfsorganisation am Dienstagmorgen in Berlin. Die Vorwürfe der italienischen Behörden, nach denen die Organisation mit Schleppern zusammengearbeitet haben soll, bezeichnete er als „komplett an den Haaren herbeigezogen“. Die Beschlagnahmung des Schiffes im vergangenen August sei politisch motiviert und richte sich gegen die Organisation selbst.

Seit 2016 ermitteln die italienischen Behörden wegen des Verdachts auf Beihilfe zur illegalen Einwanderung gegen Jugend Rettet. Die Organisation selbst erfuhr davon erst durch die Beschlagnahmung der Iuventa am 2. August 2017. Diese erfolgte präventiv – bislang gibt es keine Anklage, geschweige denn ein Urteil.

Im Kern wirft die italienische Staatsanwaltschaft der Organisation vor, nach einer Rettung drei Holzboote zurück in libysche Gewässer gebracht zu haben. Laut Jugend Rettet haben die italienischen Behörden den fraglichen Vorfall am 18. Juni 2016 falsch wiedergegeben. Eine Rekonstruktion der Ereignisse der Londoner Organisation Forensic Oceanography auf Basis von Bildern der Presseagentur Reuters von der fraglichen Operation ergibt, dass die Crew der Iuventa zu jedem Zeitpunkt korrekt gehandelt hat.

Politische Motivation der Beschlagnahme

Auch von anderen Stellen gibt es erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vorwürfe. Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass die Beschlagnahmung der Iuventa politisch motiviert war: Sie erfolgte nur einen Tag, nachdem sich Jugend Rettet gemeinsam mit weiteren NGOs geweigert hatte, einen Verhaltenskodex der italienischen Regierung zu unterschreiben, der ihren Handlungsspielraum im Mittelmeer massiv eingeschränkt hätte.

Eine genaue Begründung der Entscheidung liegt noch nicht vor, dafür hat das Gericht in Rom bis zu 15 Tage Zeit. Grundsätzlich ging es bei der Entscheidung des Kassationsgerichts nicht um inhaltliche Fragen, sondern um Zuständigkeiten – im konkreten Fall um die des Gerichts in Trapani und generell um die der italienischen Behörden bei Rettungsaktivitäten auf hoher See im Mittelmeer. „Diese Entscheidung ist ein Präzedenzfall, der es den italienischen Ermittlungsbehörden und der Justiz erlaubt, jegliche Search-and-Rescue-Operationen in Zusammenhang mit Migration zu ihrem Zuständigkeitsbereich zu erklären“, sagte Julian Köberer von Jugend Rettet am Dienstag. Das könne Einfluss auf die Arbeit aller in der Seenotrettung im Mittelmeer tätigen Organisationen haben.

An juristischen Optionen gegen die Beschlagnahmung der Iuventa bleibt Jugend Rettet nach eigenen Angaben nun nur noch der Weg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Falls die italienischen Behörden die Ermittlungen mangels Beweisen einstellen, käme das Schiff ebenfalls frei, das scheint aber unwahrscheinlich: Es gibt keine Frist, bis zu der Anklage erhoben sein muss. „Sie können ermitteln, so lange sie wollen, und die Iuventa so lange beschlagnahmt lassen“, so Julian Köberer. Die Organisation wolle ihre politische Arbeit fortsetzen. Ob eine Rückkehr ins operative Geschäft auf dem Mittelmeer auch ohne die Iuventa möglich sei, werde derzeit geprüft.

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