Nach den Protesten in Russland: Nawalny wieder freigelassen

Rückkehr der Härte: Mit 1.600 Festnahmen reagiert der russische Staat auf Proteste gegen die geplante Vereidigung Putins.

Eine Frau hält ein Schild hoch, auf dem Putin durchgestrichen ist

Protest in St. Petersburg, 5. Mai 2018 Foto: dpa

MOSKAU taz | Unter dem Motto „Kein Zar für uns“ ging die Opposition am Wochenende in Dutzenden Städten Russlands auf die Straße. Aufgerufen hatte der Antikorruptionskämpfer und Gegenspieler Präsident Wladimir Putins, Alexei Nawalny.

Der Oppositionelle wollte sich nach längerer Pause im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen im März als Gegner des Kreml wieder in Erinnerung rufen, vermuten Beobachter: „Wir werden die Behörden, die aus Betrügern und Dieben bestehen, zwingen, jene Millionen Bürger zu berücksichtigen, die nicht für Putin gestimmt haben“, sagte Nawalny im Vorfeld des Protestes. Alle anderen Ex-Präsidentschaftskandidaten sind nach dem Stimmengang im März wieder abgetaucht.

Die Demonstrationen am Wochenende fanden zwei Tage vor dem Jahrestag der Amtseinführung Putins 2012 statt. Die Proteste auf dem Bolotnaja-Platz markierten damals eine endgültige Wende. Der Kreml setzt seither ausschließlich auf Kräfte der Reaktion. Im Anschluss an die Auseinandersetzungen auf dem Bolotnaja-Platz 2012 wurden hunderte Demonstranten festgenommen oder im Nachhinein ermittelt. Eine Atmosphäre der Einschüchterung entstand.

Auch diesmal zeigte der Kreml alle Insignien staatlicher Gewalt. Landesweit wurden nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Owd-Info 1.600 Demonstranten festgenommen. Das sind mehr als im März 2017. Damals wurden bei einer Nawalny-Veranstaltung 1.500 Protestler vorübergehend festgesetzt.

Mehr als 700 wurden an diesem Wochenende allein in Moskau in Gewahrsam genommen. Darunter war auch Nawalny, der zur Überraschung der Sicherheitskräfte plötzlich aus der Menge am Puschkin-Platz im Zentrum Moskaus auftauchte. Nach einer Viertelstunde hatte die in Bussen wartende Polizei den Oppositionellen aus dem Verkehr gezogen. In der Nacht zu Sonntag wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt. Am 11. Mai soll der Fall vor Gericht behandelt werden.

Vereidigung Putins am Montag

Polizei und Truppen des Innenministeriums gingen mit größerer Härte gegen die meist jugendlichen Protestler vor als bei vorangegangenen Demonstrationen .

Auffällig war: Der Kreml ließ diesmal wieder paramilitärische Einheiten gewähren. Uniformierte Kosaken verprügelten Demonstranten mit der Nagaika, einer geflochtenen Lederpeitsche. Daneben hatten Mitglieder der Nationalen Befreiungsbewegung NOD schon das Puschkin-Denkmal besetzt und sich als Provokateure unter die Menge gemischt. Die NOD ist ein Sammelbecken gesellschaftlicher Randelemente, die sich häufig gegen die Opposition instrumentalisieren lassen. Das Russische bezeichnet sie noch heute im Rückgriff auf Karl Marx als „Lumpenproletarier“.

Beobachter rätseln unterdessen, warum der Kreml die erfolgreiche Taktik der letzten Monate aufgegeben hat, Proteste weitgehend gewähren zu lassen. Nun steht auch die nächste Amtseinführung Wladimir Putins am Montag wieder unter einem Zeichen der Gewalt.

Manche vermuten, die letzten Unruhen in Armenien könnten ein Motiv des Kreml gewesen sein. Dort hatte friedlicher Protest den Staatschef zu Fall gebracht. Der Widerstand unter Nikol Paschinjan fing in der Provinz klein an, mobilisierte nach kurzer Zeit in der Hauptstadt indes Hunderttausende und brachte ein scheinbar stabiles System ins Wanken.

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