Ausstellung in der Akadamie der Künste: Vergangenes und Jetzt verknüpfen

In einer Schau der Akadamie der Künste geht es um Freundschaft – die zwischen Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim und Werner Schroeter.

Nachstellung des berühmten Tischbein-Gemäldes

Filmstill aus Männerfreundschaften – Homoerotik in der Goethezeit (2018) von Rosa von Praunheim Foto: Akademie der Künste

Ein bisschen herrscht noch Baustelle in der Akademie der Künste am Pariser Platz. Der titelgebende Schriftzug zur Ausstellung „Abfallprodukte der Liebe“ klebt erst in Teilen, und es wimmelt zwischen den Exponaten noch von fleißigen Menschen, die auf Kränen Beamer justieren, riesige Infotafeln hängen oder letzte Kisten auspacken. Es ist Dienstag, zu früh. Eröffnung ist am Donnerstag, in zwei Tagen, aber das meiste strahlt schon. Fünf Räume sind es für das Werk von drei Filmschaffenden; alle sehr unterschiedlich, alle sehr faszinierend – die Räume und diese Menschen.

Claudia Lenssen, kuratorische Beraterin der Ausstellung, ist da. Elfi Mikesch und Rosa von Praunheim sind da, denn um ihr Werk geht es. Sie gucken sich konzentriert, aber freudig um, klären letzte Details, besprechen sich. Werner Schroeter ist nicht da, er guckt seit acht Jahren von oben zu. Er ist der Dritte in diesem Freundschaftsbund, der bis in die 1960er zurück geht und jetzt seine eigene Ausstellung bekommen hat.

Im ersten Raum, dem „Freundschaftsraum“, steht in der Mitte ein Rosenbett. Wer ein bisschen vertraut ist mit Werner Schroeter, der Filme, Fotografien, Theaterstücke und Opern gemacht hat, erinnert sich an den Film „Der Rosenkönig“ von 1986, bei dem Elfi Mikesch die Bilder machte: Film als homoerotische Oper, die Schroeter für seine Freundin Magdalena Montezuma inszenierte.

Es geht um sie, um junge Männerkörper, um Rosen und darum, ein Publikum allein mit Bildern zu verzaubern. Im Arsenal lief der Film nach dem Tode Schroeters 2010. Rosa von Praunheim sprach damals. Später sang Ingrid Caven in der Volksbühne, an der Schroeter inszenierte, „Die großen weißen Vögel“ in einem Meer aus Rosenblättern.

Ein junger, unglaublich schöner Werner Schroeter

Ein riesiges, bedrucktes Stoffbanner wird im zweiten Raum bis zur Decke hoch gezogen. Ein junger, unglaublich schöner Werner Schroeter fährt überlebensgroß plötzlich in Richtung Himmel. Er hält ein Bild von einem anderen, ebenfalls schönen Mann in der Hand: Rosa von Praunheim in jung. Sein Liebhaber, jedenfalls für einige Zeit.

Auf der Rückseite dann der alte Schroeter, mit weißer Rose in der Hand, beim Filmfest von Venedig, wo er 2008 einen Ehrenlöwen für sein Lebenswerk erhielt. Im Raum ist Schroeter dann doch ganz da: Seine Stimme als Klanginstallation, im Gespräch mit Praunheim oder Isabelle Huppert; er redet über Maria Callas, über die Zeit und über Orgasmen und ist plötzlich wieder sehr lebendig.

Die Ausstellung mit Werken von Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim und Werner Schroeter läuft bis zum 12. August in der Akademie der Künste, Pariser Platz 4. Es gibt emfangreiches Begleitprogramm.

Im Eingang führt ein Zusammenschnitt der Filme von Rosa von Praunheim, Elfi Mikesch und Werner Schroeter in ihre oft miteinander verwobenen Werke ein. Über 40 Filme hat Mikesch als Kamerafrau gemacht, 20 in Eigenregie. Bei Rosa von Praunheim sind es bis heute 150, Zahl jährlich steigend. Schroeter war Regisseur von 30 Filmen.

Gegenüber stehen Vitrinen, die zweite ist typisch Praunheim: augenzwinkernd ich-bezogen, mit einer Auswahl seiner Medikamente, seinem Bundesverdienstkreuz, allerlei Scheußlichkeiten und einem Teil seiner Bücher, originalverpackt wie in einer Supermarktauslage.

Keine Musealisierung

In einer anderen Vitrine ein Brief von Magdalena Montezuma an Elfi Mikesch, darin ein Schlüsselsatz für diese Ausstellung: „Nun hab ich halt ein schlechtes Verhältnis zur Reproduktion von Vergangenem, das ist auch mein Problem mit Fotos, ich weiß nie, was ich mit dem endgültigen Bild eigentlich soll.“

Mikesch und Praunheim haben hier bewusst dafür gesorgt, dass sie weder sich selbst noch Schroeter musealisieren, sondern das Vergangene mit dem Jetzt verknüpfen – dass es um neu bespielte, lebendige Räume mit oft neuen Arbeiten oder Installationen gehen soll.

Bestes Beispiel hierfür ist das letzte Riesenzimmer, das Rosa von Praunheim sich selbst widmet, und in dem er sein Publikum mal wieder herzlich zum Lachen einlädt. Hier erlebt man, wie Mikesch es treffend sagt, „Praunheim wie er leibt und lebt“. Man geht durch Gitterstäbe hindurch (Praunheim wurde in einem Gefängnis geboren) und betritt eine sehr schwule Villa Kunterbunt, in der man von den riesigen Erektionen einiger Schaufensterpuppen begrüßt wird.

Kleine, begehbare Hütten stehen in den Ecken, darin: knallbunte Kunst, Kitsch und wunderbar Vulgäres – und natürlich eine Matratze. Ansonsten Praunheims halbes Wohnzimmer als Exponat, schwulenbewegte Parolen und Kampfsprüche an den Wänden, römische Säulen mit Plüsch und Plunder, seine beiden Mütter, seine Filme, Poster, Penisse: ein fabelhaftes Durcheinander, konsequent und komisch inszeniert vom wichtigsten und produktivsten Pionier des aktivistischen, schwulenbewegten Films.

Die Ehe von Fotografischem und Filmischem

Auch Elfi Mikeschs Raum ist eine Ausstellung für sich – ebenso konsequent, aber gegenteilig im Konzept. Konzentriert sieht man zwischen Blackbox und White Cubes begehbare Mini-Kinos, kleine Camera Obscuras, in denen faszinierende Fotofilme zu sehen sind oder frisch montiertes Filmmaterial in Dreifachprojektion.

Riesig sind Mikeschs beeindruckende Fotografien an den Wänden: Porträts, Architekturen, ungerahmte Prints von fast abstrakten Fleischereiszenen – Bilder aus ihrem letzten Film „Fieber“ (2014). In einer Ecke eine Klanginstallation, an der Wand: tätowierte Haut neben Tierfüßen.

Negativplatten aus einem Fotoatelier, in dem Mikesch in den 1950er Jahren arbeitete, hängen an der Wand in einem Lichtkasten und dann wieder als Riesenprint an einer Black Box. Es geht um Perspektivwechsel und Blickwinkel, um die Ehe von Fotografischem und Filmischem im Werk von Mikesch und darum, dass das Vergangene neu lebt und eben nicht nur reproduziert wird. Sensationell auch die Wiederentdeckung eines verschollen geglaubten Films: „Macumba“ von 1982, in der Hauptrolle Magdalena Montezuma, ist ausschnitthaft an die weiße Wand projiziert.

Maria Callas hat es geschafft aus der Zeit einen Raum zu machen, sagt Werner Schroeter in einer Klanginstallation. Damit beschreibt er auch sehr schön, was Elfi Mikesch und Rosa von Praunheim hier gelungen ist. Berührend, aber unsentimental erinnert ihre Ausstellung an das Vergangene, ohne es zu sehr zu reproduzieren. Vielmehr geht es um neue Arbeiten, neue Räume und neue Erfahrungen; und um eine Freundschaft.

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