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Explosive Vibes

Im ersten Leben Gottheit und Haarstylistin, im zweiten Rapperin: Ace Tee aus Hamburg erschien mit „Bist du down“ auf der Bildfläche und bastelt nun gemeinsam mit Kwam.e am Debütalbum

Konnte schon als Hairstylistin „criss-cross, zickzack alles rein­legen“: Ace Tee Foto: Jannick Plume

Von Diviam Hoffmann

„Wir ergänzen uns einfach gut“, sagt Tarin Wilda, die seit etwa zwei Jahren als Ace Tee Musik macht, über ihren musikalischen Partner Kwam.e. „Zum Beispiel, wenn ich in der Küche stehe, ein Lied träller und er ist im Nebenzimmer, dann singt er einfach das Ende der Melodie, die ich im Kopf hab. So ne Art Connection ist das.“

Nicht nur beim Songschreiben führt Kwam.e ihre Gedanken zu Ende, auch im gemeinsamen Interview setzt er manchmal fort, was sie beginnt. Der Hamburger Rapper, bürgerlich Lordin Stegemann, weiß aber auch, dass es in den Interviews, die die beiden führen, meist um sie geht – um Ace Tee.

Der Grund für den Hype um ihre Person? Nun, Ace Tee reanimiert jenen R ’n’B und HipHop, wie ihn TLC, Aaliyah oder Missy Elliott in den neunziger Jahren zelebrierten. Im Dezember 2016 wurde die 25-Jährige einer größeren Öffentlichkeit bekannt, als ihr Song „Bist du down“ bei Youtube aufploppte. Damals trat eine kanadische Twitter-Userin mit ihrer Wortmeldung – „The new TLC are German, pass it on“ – eine Welle los, die der Hamburgerin unter anderem die Aufmerksamkeit von US-Medien einbrachte. Die Vogue nahm daraufhin Ace Tees Style auseinander, Afropunk lobte ihren „90s R&B Sound with dope new Visual“. Deutschsprachige Medien schlossen sich an.

Auf der Textebene des Songs fragt das Ich, ob das Du, down, in diesem Fall also bereit für eine ehrliche und offene Beziehung sei. Eigentlich eine gesunde Einstellung zu Romantik. All das auf einem sehr zurückgelehnten Beat ohne große Überraschungen. Die visuelle Ebene im Videoclip ist bei „Bist du down“ aber mindestens genauso wichtig wie die Musik. Gedreht in einer Hamburger Street-Art-Gallery, die es mittlerweile nicht mehr gibt, tanzt eine Crew aus 10 bis 15 Freundinnen und Freunden vor buntem Graffiti. Der Style von Ace Tee und ihren Tänzerinnen lebt von Sporthosen oder hochgeschnittenen Mom-Jeans, Turnschuhen und wahlweise übergroßen Sport-Shirts oder Crop-Tops. Ihre bunte, positive Ästhetik trifft damit genau den Nerv einer in den Neunzigern aufgewachsenen Instagram-Generation. Für Ace Tee ist dabei Mode auch Marketinginstrument: Gleichzeitig zu ihrer Debüt-EP „Tee Time“ erschien eine H & M-Kollektion der Künstlerin.

Beim Interview trägt Ace Tee einen Cargo-Einteiler, eine hellblonde Perücke und neongrüne Fingernägel, ist zuvorkommend und hanseatisch-schnodderig zugleich. Als „Bist du down“ um die Welt ging, war Wilda gerade auf dem Weg, ein Zertifikat als Haarstylistin zu erlangen. „Ich hab Afrofrisuren gemacht: Da konnte ich zwar auch criss-cross, zickzack, alles reinlegen. Aber mit der Kunst durchzustarten, ist einfach der Traum einer jeden Künstlerin!“

Wilda wurde in Berlin als Kind ghanaischer Eltern geboren und ist in Hamburg-Jenfeld aufgewachsen. Als TLC sich gründeten (1991), war sie noch nicht auf der Welt und als Aaliyah diese auf dem Höhepunkt ihrer Karriere schon wieder verlassen musste (2001), ging Tarin Wilda erst in die zweite Klasse. Von dem Jahrzehnt des R ’n’ B, als dessen Erbin sie nun beschrieben wird, hat sie also gar nicht so viel mitbekommen. Darauf allein will sie sich auch gar nicht festlegen. Missy Elliott gehört aber schon zu ihren Vorbildern, wie auch Pharrell Williams. Als sie klein war, schaute sie MTV und Viva, ihr Vater hörte Reggae und Rap, ihre Mutter Céline Dion. Aber auch Afrobeat hat eine Rolle für sie gespielt – „unsere eigene Musik aus Ghana“ nennt Wilda den Stil.

„The new TLC are German, pass it on“, schrieb eine Twitter-Userin

Ihr früheres Alias Goddess Meduzv (sprich: „Medusa“) zeigt eine andere Seite der Künstlerin – eine düstere, verspulte. Sie habe zwar diese smoothe R-’n’-B-Persönlichkeit, aber eben auch eine dunklere Trap-Seite: „All diese Vibes habe ich in mir gespeichert, und das kommt dann in so Explosionen raus“, sagt Wilda. „Wieso sollte ich das unterdrücken und oberflächlich auf einen Beat jumpen?“ Das bedrückende Trap-Alias gehört heute der Vergangenheit an, von Goddess Meduzv fand man bis vor Kurzem nur wenige Sekunden Musik im Internet. Was Tarin Wilda schon als Goddess Meduzv gelernt hat, ist es, Beats zu bauen. Erst später begann sie zu singen und zu rappen.

Dass sie es wirklich als Musikerin schaffen würde, hat sie erst einmal nicht geglaubt. „Mir war es immer wichtig, dass ich einem Beruf nachgehe, der kreativ ist, denn ich bin ein Frei… Wie heißt das noch mal?“, fragt Ace Tee wieder bei Kwam.e nach, „ah, ja: Freigeist!“ Nach der Erfolgsgeschichte von „Bist du down“ hätte der Erwartungsdruck größer nicht sein können. Die vergangenen September erschienene EP „Tee Time“ klingt aber leider auch, als sei sie zu schnell zusammengestellt worden. Fünf weitere Songs, die ebenso wie ihr Erstling das Leben, die Gemeinschaft, das Rumhängen feiern. Dabei ist das Motto von Ace Tee eigentlich „Sip Slow“, was so viel heißt wie „langsam nippen“. Auch das bald erscheinende Debütalbum, an dem sie noch bastelt, soll „Sip Slow“ heißen.

Diss-Tracks, wie sie im Deutschrap oft üblich sind und mit denen das Genre zuletzt mehr als negative Schlagzeilen machte, liegen Ace Tee übrigens nicht. Battle-Raps gehören zum HipHop aber dazu, meint sie: „Man darf nicht vergessen, damit hat’s angefangen. Andere brauchen das vielleicht. Ich kann mich nicht damit identifizieren.“ Wichtiger ist Tarin Wilda das positive Happening, die Community, eine Verbindung innerhalb der Crew und mit dem Publikum. „Das kann auch noch viel bunter werden! Wenn die Leute mit einem strahlenden Gesicht aus unseren Konzerten rausgehen, dann ist das die größte Belohnung für uns.“

Ace Tee & Kwam.E live: 31. 5. –2. 6. Augsburg, 3. 6. Würzburg, Africa Festival, 6.–8. 7. Köln, Summerjam, 19.–22. 7. Cuxhaven, Deichbrand Festival, 21. 7. München, Oben Ohne Open Air