Vor Besuch in China: Dissidenten setzen auf Merkel

Die Verfolgung von Kritikern in China nimmt zu. Wenige ausländische Regierungschefs sprechen Menschenrechte noch an. Nun kommt die Kanzlerin.

Polizist neben Stuhl mit Foto von Liu Xia

Ein leerer Stuhl in Hong Kong als Zeichen des Protests, darauf ein Foto von Liu Xia Foto: reuters

PEKING taz | Die letzten Worte des bis zuletzt inhaftierten chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo galten seiner Frau Liu Xia: „Hab noch ein gutes Leben“, sagte er am Krankenbett, bevor er starb. Doch nicht einmal diesen Wunsch hat ihm die chinesische Führung gewährt.

Einen Tag vor dem zweitägigen Besuch von Angela Merkel in China haben Freunde und Mitstreiter des vor einem Jahr an Krebs verstorbenen Friedensnobelpreisträgers die deutsche Kanzlerin aufgefordert, sich für Liu Xias Freilassung einzusetzen. „Merkels Besuch ist die beste und einzige Chance, Liu Xias Probleme dieses Jahr zu lösen“, sagte der Bürgerrechtler Hu Jia. „Wir alle wünschen uns, dass sie mit Merkel nach Deutschland fliegen kann.“ Hu hält das zwar für wenig wahrscheinlich. Doch könne Merkels Einsatz Fortschritte bewirken.

In den vergangenen Wochen hatten bereits französische und US-amerikanische Schriftsteller und Menschenrechtsaktivisten Liu Xias Ausreise gefordert. „Die Bestrebungen der chinesischen Regierung, Liu Xia zum Schweigen zu bringen, sind von abscheulicher Grausamkeit“, kritisierte Lisa Tassi von Amnesty.

Obwohl Liu Xia vom chinesischen Staat offiziell nie verurteilt wurde, steht die 57-Jährige seit de facto acht Jahren in Peking unter Hausarrest. Chinas Behörden bestreiten das und behaupten, sie könne sich frei bewegen. Sicherheitskräfte in Peking verwehren jedoch seit Monaten Unterstützern den Besuch.

„Leichter zu sterben“

In einem der wenigen Telefonate der letzten Monate mit dem in Deutschland im Exil lebenden Schriftsteller Liao Yiwu soll sie gesagt haben: „Es ist leichter zu sterben, als zu leben.“ „Mein Mann ist tot“, sagte Xia laut Liao. „Es gibt nichts mehr in der Welt für mich.“ Ärzten zufolge leidet sie unter schweren Depressionen. Zuletzt wurde ihr für April die Ausreise nach Deutschland in Aussicht gestellt. Doch nichts geschah.

Sosehr sich Menschenrechtsorganisationen und Künstler weltweit für ihre Freilassung einsetzen, Regierungen machen das kaum. Außer der Bundesregierung und einigen kleinen europäischen Staaten kritisierten nur noch die USA Chinas Führung für dortige Menschenrechtsverletzungen. Seit Donald Trumps Präsidentschaft ist jedoch auch von der US-Regierung nur noch wenig zu hören.

Entgegen den Behauptungen der chinesischen Führung hat sich die Menschenrechtslage nicht gebessert. Im Gegenteil: Laut Amnesty International werden seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping mehr kritische Anwälte, Journalisten und Aktivisten verfolgt als unter seinen Vorgängern. Erst am Dienstag verurteilte ein chinesisches Gericht den tibetischen Menschenrechtler Tashi Wangchuk wegen „Anstiftung zum Separatismus“ zu fünf Jahren Haft. Er hatte der New York Times ein Interview gegeben.

Treffen mit Kritikern

Umso mehr ruhen auch bei anderen chinesischen Dissidenten die Hoffnungen auf der Kanzlerin. Sie greift Chinas Führung zwar nicht öffentlich an, sondern verfolgt eine „stille Diplomatie“. Hinter den Kulissen setzt sich ihr Stab für die Freilassung von Dissidenten ein.

Bei ihrem Besuch am Donnerstag in Peking will Merkel nach ihren Gesprächen mit Partei- und Staatschef Xi Jinping und Premierminister Li Ke­qiang sich auch mit Künstlern und Kritikern treffen. In der Vergangenheit waren solche Treffen für die Dissidentenszene hilfreich, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Die Führung scheint sich davon aber immer weniger beirren zu lassen. Die Bürgerrechtsanwälte Jiang Tianyong und Yu Wensheng, die Merkel bei früheren Besuchen traf, sind inzwischen in Haft.

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