Kirchlicher Glanz für militärisches Gloria

ZEITGEIST In der ehemaligen Garnisonkirche in Potsdam ließen sich preußische Militärs und Nazis die Kriege segnen. Einflussreiche Politiker, Unternehmer und Kirchenmänner wollen die Kirche wieder neu aufbauen

VON ANSELM WEIDNER

Kaum eine Kirche in Deutschland ist historisch und ideologisch so aufgeladen wie die ehemalige Garnisonkirche in Potsdam. Das Bild von Hitlers servilem Handschlag mit dem Reichspräsidenten Hindenburg auf den Kirchenstufen bildet dabei den Höhepunkt. Es war eine perfekte Inszenierung der Nazis. Die Kirche gibt es nicht mehr. Jetzt aber soll sie wieder aufgebaut werden.

Unstrittig ist: Die Garnisonkirche war ein Meisterwerk des norddeutschen Barock und mit ihrem fast 90 Meter hohen, grazilen Turm Teil des stadtbildprägenden Potsdamer Dreikirchenblicks. Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. wurden hier zu Grabe gelegt. Festgottesdienste zu Thronjubiläen wurden in der Kirche abgehalten – geschmückt war sie mit geweihten Kriegstrophäen, Fahnen und Feldzeichen aus preußischen Kriegen. Sie war „eine Art Walhalla des preußisch-deutschen Aufstiegs zur europäischen Großmacht“, so der Historiker Martin Sabrow. Hier wurden Truppen in den Ersten Weltkrieg 1914 verabschiedet und gesegnet. Im Potsdamer Volksmund war sie: „die Geisterhöhle“.

Kein Einwand

Für die Nazis war die Kirche perfekte Kulisse. Am 21. März 1933 wurde Hitler dort in einer feierlichen Zeremonie als Reichskanzler inthronisiert. So wurde sie „das Symbol für die Vermählung der konservativen, der deutsch-nationalen Eliten mit der braunen Revolution der Nationalsozialisten – eins der eindrucksvollsten Ereignisse der Geschichte des 20. Jahrhunderts überhaupt“, sagt Sabrow, der Historiker. Der Handschlag ist als Beginn des „Dritten Reichs“ ins kollektive Bildgedächtnis eingegangen – weltweit. Auch in den folgenden Jahren des „Tausendjährigen Reichs“ fungierte die Garnisonkirche als NS-Weihestätte. Etwa zelebrierten hier Reichsbischof Müller und Reichsjugendführer Baldur von Schirach eine Großkundgebung der Hitler-Jugend samt Fahnenweihe.

Nach dem britischen Bomberangriff im April 1945, der große Teile von Potsdam zerstörte, brannte die Kirche aus. Im Juni 1968 wurde die Kirchenruine auf Geheiß des Chefs der DDR-Regierung Walter Ulbricht gesprengt. Anfang der siebziger Jahre wurde auf dem Grundstück ein Rechenzentrum mit dem Mosaikfries „Der Mensch bezwingt den Kosmos“ errichtet. Danach geriet die ehemalige Kirche in Vergessenheit.

Seit der Wiedervereinigung allerdings geistert sie wieder durch die Köpfe. Ginge es nach der kirchlichen Stiftung Garnisonkirche und der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau soll der Kirchturm zum 500. Jahrestag der Reformation, am 31. Oktober 2017 eingeweiht und anschließend das Kirchenschiff – von außen originalgetreu nach barockem Vorbild – nachgebaut werden. Geschätzte Kosten: 100 Millionen Euro.

„Von diesem Ort soll ein Geist des Friedens und der Versöhnung ausgehen. Und das ist ernst gemeint, weil wir uns den Brüchen der Geschichte stellen wollen, die sich mit diesem Ort verbinden“, sagt Wolfgang Huber, der ehemalige Bischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Es könne in seinen Augen nicht sein, „dass man die Kirche stellvertretend in Haftung nimmt für das, was mit dem Handschlag zwischen Hindenburg und Hitler versucht wurde.“ Huber setzt sich für den Wiederaufbau ein und ist Vorsitzender des Stiftungskuratoriums.

Gegen den Wiederaufbau hat sich die Bürgerinitiative „Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“ gegründet, die das ganz anders sieht: „Wer die Garnisonkirche wieder aufbauen will, deutet Geschichte um. Wer die Garnisonkirche wieder aufbauen will und sich damit Versöhnung auf die Fahne schreibt, erklärt die dunkle Nacht zum Zeichen des lichten Tages und versöhnt sich doch nur mit der reaktionären Geschichte Preußens.“

Friedrich Schorlemmer unterstützte die Wiederaufbaugegner kürzlich mit Sätzen wie: „Das von brauner Asche besudelte Gebäude kann durch den Neubau nicht reingewaschen werden. Ganz abgesehen davon, dass angesichts leerer Kirchen eine weitere überflüssig ist.“

Im Kuratorium der Garnisonkirchenstiftung sitzen einflussreiche Männer aus Kirche, Politik, Wissenschaft, Militär und Wirtschaft: der Militärbischof der evangelischen Kirche, der Chef des Militärgeschichtlichen Forschungsamts Potsdam, Brandenburgs Ministerpräsident, ein Mitglied des Aufsichtsrates der Siemens AG, ein ehemaliger Daimler-Benz-Topmanager. Ehrenkurator ist Richard von Weizsäcker. Ein Fünftel der knapp tausend Fördergesellschaftsmitglieder sind Militärs.

Die Gegner und Gegnerinnen dagegen sind ein heterogenes Häuflein von Antifaschisten aller Couleur, Mitgliedern der bunten Stadtparlamentsfraktion „Die Andere“, FriedensaktivistInnen, ehemaligen NVA-Offizieren und Wiederaufbaugegnern jenseits ideologischer Frontlinien. Ihre Zweifel an dem Projekt sitzen tief.

Keine Antwort

Sie fragen: Warum ist die Militärseelsorge mit 250.000 Euro der größte Stifter? Warum spricht Huber davon, dass in der zukünftigen Garnisonkirche „der bei Auslandseinsätzen gefallenen Bundeswehrsoldaten in besonderer Weise gedacht werden soll“? Warum ist in der neuen Entwurfsplanung das Nagelkreuz von Coventry als Versöhnungszeichen von der alten Wetterfahne mit preußischem Adler und anderen Herrscherinsignien verdrängt? Warum ist das „Internationale Versöhnungszentrum“ aus dem Nutzungskonzept gestrichen und warum liegt zwar der detaillierte architektonische Entwurf vor, aber kein ausgearbeitetes inhaltliche Konzept zur geplanten Versöhnungsarbeit? Und insbesondere: Warum distanziert sich die Stiftung nicht eindeutig von Oberstleutnant a. D. Max Klaar, mit dem die Wiederaufbauinitiative begann?

Klaar, der für das christliche Preußen Begeisterte, hatte mit seinem Fallschirmjägerbataillon 271 in Iserlohn Geld gesammelt, um das Glockenspiel der Garnisonkirche nachbauen zu lassen, und er hat es 1991 der Stadt Potsdam in einer Art Feldgottesdienst überreicht. Zudem hat er innerhalb von zwanzig Jahren über sechs Millionen Euro für die Garnisonkirche gesammelt – aber bitte „nicht für eine, in der Schwule getraut oder Kriegsdienstverweigerer beraten werden“. Er rückt die gesammelten Millionen bis heute nicht raus. Im Jahr 2004 wurde Klaar mit seinem Verband deutscher Soldaten und der Zeitschrift „Soldat im Volk“ vom Bundesverteidigungsminister als rechtsextrem eingestuft, offizieller Kontakt mit seinem Verband wurde untersagt.

Eine weitere Frage haben die Gegner auch an Altbischof Huber: Warum wird dieser Militärtempel der Hohenzollern von ihm zum Widerstandsort des 20. Juli 1944 umdefiniert, nur weil einige Offiziere des „nationalkonservativen militärischen Widerstands in letzter Minute“ dort gebetet hätten? Dies sei „ein liebenswürdiger, aber doch untauglicher Versuch zur geschichtspolitischen Reinigung durch Gegengift“, meinte der Historiker Sabrow.

Auf all diese Fragen haben die Gegner des Wiederaufbaus keine substanziellen Antworten erhalten. Und auch die Evangelische Kirche in Deutschland äußert sich nicht zu ihrem größten und brisantesten Kirchenbauprojekt. Der öffentliche Diskurs wird gescheut.

Unklar ist auch, woher die veranschlagten 100 Millionen Euro für den Wiederaufbau kommen sollen. „Das ist eine Bürgerkirche, die nur aus Spenden finanziert wird“, war lange die offizielle Sprachregelung der Stiftung und der Fördergesellschaft. Dem widerspricht, was der Stiftungsverwaltungsvorstand im Frühjahr dieses Jahres verlauten ließ: „Die Garnisonkirche soll nach dem sogenannten Dresdener Modell finanziert werden, das beim großen Rekonstruktionsvorbild Frauenkirche zum Zuge kam: ein Drittel kleine Spenden, ein Drittel Mäzene, ein Drittel öffentliche Gelder.“ Also sollen in den Kirchenbau doch Steuergelder fließen.

„Hier wird getrickst, getäuscht und gelogen, dass sich die Balken biegen. So darf man doch in der evangelischen Kirche nicht mit Menschen umgehen“, empörte sich neulich ein engagiertes, aktives Kirchenmitglied, das anonym bleiben will.

Keine Debatte

Die Entwurfsplanung ist fertig; der Bauantrag soll im Herbst gestellt werden. Bagger und Betonsägen haben die alten Fundamente auf dem Garnisonkirchengrundstück an der Breiten Straße freigelegt. Der Wiederaufbau könnte beginnen. Aber die Spenden fließen spärlich. Ganze fünf Millionen Euro konnte die Stiftung bisher verbuchen – davon zwei Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln sowie eine Spende der Siemensstiftung in Höhe von einer Million. Die Stadt Potsdam und das Land Brandenburg haben beschlossen, keine weiteren öffentlichen Gelder für den Wiederaufbau beizusteuern. Der Baubeginn ist also ungewiss. Das aber ist eine Chance für die öffentliche Debatte über diesen für die nationale und europäische Geschichte so prominenten Ort. Sie sollte nicht nur in Potsdam geführt werden.