Ausstellung in Berlin: Russischer Fußball, historisch gesehen

Eine Ausstellung im Deutsch-Russischen Museum erzählt die sehr politische Geschichte des Fußballs in Russland und der Sowjetunion.

Ein mann schaut auf ein Wandbild, auf dem ein Fußballer abgebildet ist

Erinnerung an den großen sowjetischen Torhüter Lew Jaschin an einer Moskauer Hauswand Foto: imago/Itar-Tass

Eine Fußballweltmeisterschaft wird in Russland zwar erstmalig ausgetragen. Doch Fußball gespielt wird in dem Land seit 120 Jahren. Dabei war der Sport immer auch politisch. Das zeigt die Ausstellung „Russkij Futbol“ (Russischer Fußball), die vergangene Woche im Deutsch-Russischen Museum in Karlshorst in zwei Räumen mit insgesamt 13 gestalteten Plakaten und Texten eröffnet wurde.

Englische Fabrikarbeiter waren es, die Ende des 19. Jahrhunderts den heute so populären Sport in das russische Zarenreich brachten. Das erste urkundlich erwähnte Fußballspiel fand 1897 zwischen englischen und russischen Arbeitern statt. Bis zu den wichtigsten Siegen einer sowjetischen Fußballmannschaft, dem Europameistertitel 1960 und dem ­Vizeeuropameistertitel 1988, war es da noch ein weiter Weg. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte die Sowjetunion sich kaum an internationalen Turnieren beteiligt, lediglich gegen Arbeitermannschaften im Ausland gespielt.

„Anhand vom Fußball lässt sich die gesamte russische und sowjetische Geschichte erzählen“, sagt Kurator und Buchautor Martin Brand. „Fußballer sind in beiden Weltkriegen an der Front gefallen. Sie haben in Gulags und in deutschen Zwangsarbeitslagern gelitten. Und selbst aus dem im Zweiten Weltkrieg belagerten Leningrad sind Fußballspiele überliefert.“

Es gibt aber auch Geschichten, die auf andere Art berühren. Um sich zu den Weltmeisterschaften 1974 zu qualifizieren, musste die sowjetische Mannschaft gegen Chile an­treten – in ebenjenem Stadion, das die Militärjunta für Folterungen missbrauchte. Die Fifa war nicht bereit, das Spiel an einen anderen Ort zu verlagern. Die sowjetische Mannschaft verzichtete und fuhr nicht zur WM. Chile hatte sich kampflos qualifiziert.

Untypische Themensetzung

Fußball ist eigentlich nicht das typische Thema für das Museum, das an dem Ort steht, an dem am 8. Mai 1945 die Reste der deutschen Wehrmacht der Roten Armee die bedingungslose Kapitulation Deutschlands erklärt hatten. Normalerweise behandeln Ausstellungen hier den Zweiten Weltkrieg oder die Nachkriegszeit. „Aber die Kuratoren, die bereits ein Buch zum Thema herausgegeben haben, sind auf uns zugekommen“, sagt Direktor Jörg Morré. „Und wenn man uns den Ball schon vor die Tür legt, lassen wir ihn rein. Die Ausstellung gibt uns eine Chance, ein ganz anderes Publikum für unser Haus zu interessieren.“

Gestaltet sind elf Porträts von Menschen, die in unterschiedlichen Epochen für den Fußball stehen. Für die bildliche Umsetzung war der Illustrator Thomas Gronle verantwortlich. Man sieht seinen Bildern an, dass Gronle vom Comiczeichnen kommt.

Einer der Porträtierten ist Wsewolod Bobrow (1922–1979), der seine Fußballkarriere nach dem Zweiten Weltkrieg begann und auch Eishockey auf internationaler Ebene spielte. Er war in beiden Sportarten ungewöhnlich erfolgreich. Im Fußball wurde er viermal sowjetischer Meister. In 116 Spielen schoss er 97 Tore. Im Eishockey gewann er mit seiner Mannschaft zweimal den Weltmeistertitel.

Doch auch über Bobrows Karriere lagen die Schatten der Politik. Nachdem er 1952 mit seinem Fußballteam ausgerechnet gegen das Stalin abtrünnig gewordene Jugoslawien verlor, erlebte seine Karriere einen Riss. Seine Mannschaft wurde zwangsweise aufgelöst. Anders als Mannschaftskameraden konnte Bobrow sich auf das Eishockey konzentrieren und blieb wegen seiner Freundschaft zu Wassili Stalin, dem jüngsten Sohn des Diktators, vor Bestrafungen verschont. Später wurde er sowjetischer Eishockey-Natio­naltrainer.

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