Initiative gegen Racial Profiling in Berlin: Polizei unter Rassismusverdacht

Ein Gutachten der Initiative „Ban Racial Profiling“ zweifelt die Rechtmäßigkeit verdachtsunabhängiger Polizeikontrollen an.

Ein Mann hält ein Schild mit der Aufschrift "Angst vor der Polizei"

Protest gegen diskriminierende Polizeipraxis am Görlitzer Park (Archivbild, 2013) Foto: dpa

BERLIN taz | Der Ort ist Programm: Am Kottbusser Tor stellte am Donnerstag die Initiative „Ban Racial Profiling“ zum Abschluss ihrer einjährigen Kampagne zur Sensibilisierung für die diskriminierende polizeiliche Praxis ein Gutachten vor. Darin geht es um den verfassungsrechtlichen Rahmen der Einrichtung sogenannter kriminalitätsbelasteter Orte (KBO) und verdachtsunabhängiger Identitätskontrollen, die überdurchschnittlich häufig Nichtweiße betreffen.

Eine Möglichkeit der Polizei, diesem Vorwurf des Racial Profilings zu begegnen, wäre nach Ansicht von Biplap Basu von der Initiative die Dokumentation der Kontrollen. „Wir haben der Polizei schon vor mehr als zwei Jahren als Vorschlag einen Dokumentationsbogen für solche Kontrollen vorgelegt. Die erste Reaktion war: Brauchen wir nicht, bei uns gibt es ja kein Racial Profiling.“ Später habe sich die Polizeiführung gesprächsbereiter gezeigt. Selbst mit dem damaligen Polizeipräsidenten Klaus Kandt gab es Treffen. Man wolle sich innerhalb eines halben Jahres zu der Sache verhalten, hieß es damals, seitdem sei nichts passiert. „Aber vielleicht dauern polizeiliche sechs Monate einfach länger“, sagt Basu lächelnd.

Das Gutachten von Cengiz Barskanmaz, Rechtswissenschaftler am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, und der Rechtsanwältin Maren Burkhardt untermauert die Kritik der Kampagne und zweifelt die Verfassungsmäßigkeit nicht nur der kritisierten polizeilichen Praxis an, sondern auch deren gesetzliche Grundlage, den Paragrafen 21 des Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog).

„Dass verdachtsunabhängig Identitätskontrollen stattfinden können, war ja nicht immer so“, berichtet Maren Burkhardt über einen Paradigmenwechsel in den 1990ern. Juristisch dagegen anzugehen sei kompliziert, da sich bestimmte Rechtsauffassungen seitdem verfestigt hätten. Große Probleme bereite in konkreten Einzelfällen auch die Beweis- und Zeugensituation, vor allem aber das völlig intransparente Verfahren allein bei der Ausweisung der KBO. Die Kriterien für die Feststellung solcher „gefährlicher“ Orte seien rein interner Natur und entzögen sich jeder parlamentarischen und juristischen Kontrolle.

Cengiz Barskanmaz erläutert ergänzend ein Verfahren des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei hinreichender Plausibilität des Vorwurfs der rassistischen Diskriminierung die Beweislast umkehrt. Staatliche Behörden müssten dann gerichtsfest nachweisen, dass sie nicht diskriminieren. In Deutschland ist ein solches Vorgehen bislang unüblich.

So bleibt es fürs Erste bei privater Empirie in der Beobachtung vermuteten Racial Profilings. Ein erster Schritt Berlins zur Lösung des Problems könnte die Umsetzung des Koalitionsvertrages von Rot-Rot-Grün sein. Dort ist nicht nur vorgesehen, Polizeibeamte für das Thema zu sensibilisieren, sondern auch, einschlägige Passagen im Asog zu streichen – was bislang noch nicht passiert ist.

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