Krisenländer zu Euroreformen: Alles außer Merkel

In Griechenland und Italien stoßen die deutschen EU-Pläne auf Ablehnung. Die Südeuropäer hoffen auf Macron.

Bundeskanzlerin Merkel schüttelt die Hand von Emmanuel Macron

Trotz Handschlag: Europapolitisch gibt es Differenzen zwischen Macron und Merkel Foto: dpa

BERLIN/ROM/ATHEN taz | Es ist gar nicht so leicht, bei der aktuellen Diskussion über die Reform der Eurozone den Überblick zu behalten. Nach dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron haben in den vergangenen Wochen auch die Europäische Kommission und Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Ideen für eine Reform der Eurozone vorgestellt. Während Macron ein eigener Eurohaushalt mit eigenem Finanzminister vorschwebt, will Merkel nur einige wenige Milliarden Euro für Investitionen bereitstellen – und durchsetzen, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) in einen Europäischen Währungsfonds (EWF) umgebaut wird, der dann künftig die Haushaltsdisziplin der Eurozonen-Staaten kontrollieren soll.

Doch was bedeutet das für Griechenland, das seit Jahren unter der Aufsicht der Troika aus EZB, Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission kontrolliert wird – und trotz hoher Verschuldung im August an den Kapitalmarkt zurückkehren soll? Und wie kommen die Vorschläge in Italien an, dessen relative Staatsverschuldung nach Griechenland die zweithöchste in der Eurozone ist? Die taz-Korrespondenten in Rom und Athen berichten:

Griechenland ist pro Macron

„Hellas-Gallia-Symmachia“ (zu Deutsch: „Griechenland-Frankreich-Allianz“) lautete das einprägsame Motto Athener Europapolitik in den späten Siebzigern. Zu diesem Zeitpunkt wollte die noch junge griechische Demokratie über einen Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft (EG) verhandeln – und stieß zunächst auf taube Ohren.

Das Blatt wendete sich erst, als der französische Präsident Valery Giscard d´Estaing seinem griechischen Amtskollegen Konstantin Karamanlis den Rücken stärkte. 1981 trat Griechenland schließlich der EG bei. Im kleinen Kreis der zwölf Mitgliedstaaten war Frankreich die bestimmende und Griechenland immerhin eine nicht zu vernachlässigende Kraft. Doch die Zeiten haben sich geändert: Ausgerechnet in der schwersten Finanzkrise der Nachkriegszeit konnte ein ohnehin schwächelnder Francois Hollande den Griechen nicht mehr wirklich helfen – sprich: die Sparpolitik lockern und ein Gegengewicht zur Finanzpolitik deutscher Prägung bilden.

Nun ruhen alle Hoffnungen auf Emmanuel Macron und dessen EU-Reformvorschlägen. Insbesondere Macrons Anliegen, den Euro-Raum mit einem eigenen Haushalt und einem Euro-Finanzminister zu versehen, beflügelt Ausgabephantasien in Athen. Zu Unrecht, glaubt Jorgos Tzogopoulos, Dozent für internationale Beziehungen an der Universität Thrakien. Macrons Vorschläge würden nicht bedeuten, dass Griechenland automatisch mehr Geld ausgeben könne. Die Ideen des französischen Präsidenten befürwortet er dennoch: „Die Reformvorschläge aus Paris sind eigentlich sehr gut für Griechenland, da sie einen Richtungswechsel in der EU signalisieren“, sagt Tzogopoulos.

Doch mittlerweile ist klar, dass Bundeskanzlerin Merkel sich gegen deren Umsetzung stemmt – und vor allem deutlich macht, dass ein Euro-Haushalt nicht der Schuldenrefinanzierung, sondern allein der Investitionsförderung dient“ sagte Tzogopoulos der taz.

Die linksgerichtete Zeitung der Redakteure vermutet allerdings ein deutsch-französisches Tauschgeschäft: Bundeskanzlerin Merkel wolle Macron die europäische Verteidigungspolitik überlassen, dafür aber die Schlüsselrolle für die Wirtschaft für sich behalten, berichtet das Blatt. Die Zeitung Avgi, die der regierenden Linkspartei Syriza nahe steht, empört sich: „Die Zeit ist vorbei, wo Berlin bestimmte, was zu tun ist. Keine Regel und keine demokratische Logik gibt Deutschland das Recht zu entscheiden, als wäre sie im Besitz von 51 Prozent der EU-Aktien‟, moniert das Blatt.

Unklar erscheint noch der Vorschlag, einen Europäischen Wirtschaftsfonds einzurichten, der die internationalen Geldgeber für Griechenland und anderen Krisenländern als Aufpasser ablöst. Worauf es ankommt, ist, dass der EWF eben nicht nur als Aufpasser agiert und Sparvorgaben überprüft, sondern auch neue Wachstumsimpulse generiert, meint Politikwissenschaftler Tzogopoulos.

Italien: Alles außer Merkel

Macron oder Merkel? Das interessiert in Italien derzeit weder die neue Regierung noch die Opposition. Schon Emmanuel Macrons große Reden über die Zukunft der EU hatten im vergangenen Jahr so gut wie keine Reaktion im Land ausgelöst. Und als jetzt Angela Merkel Anfang Juni ihre Reformvorstellungen für die Eurozone auf den Tisch legte, schlug ihr aus Italiens politischen Institutionen nur eines entgegen: Schweigen.

Pier Virgilio Dastoli, Chef der Europäischen Bewegung Italiens, wundert das nicht weiter. „In Italien gibt es zu solchen Fragen nie eine breite Debatte“, bilanziert er die Stille. „Es sind bloß die Experten, die Ökonomen, die solche Fragen diskutieren“.

Noch schärfer fällt das Urteil Giorgio Melettis aus, der Wirtschaftsredakteur bei der Tageszeitung Il fatto quotidiano ist. Nach den Politikern des Landes und ihrer Haltung zur Reform der Eurozone befragt, sagt er der taz „die wissen doch nicht mal, dass dieses Problem besteht. Hier wird nur noch darüber geredet, ob Italien im Euro bleiben oder rausgehen soll. Und viele betreiben es als ihren Hauptsport, Merkel ins Gesicht zu rülpsen“.

Diejenigen Ökonomen und Politologen. die nicht gleich – wie eine kleine, aber laute Minderheit – die Abwicklung des Euro befürworten, schlagen sich auf die Seite des französischen Präsidenten. „Es wäre in unserem Interesse, Macron zu unterstützen“, fasst Dastoli zusammen. Mehr Vergemeinschaftung, beginnend bei den Institutionen, denen die Governance der Eurozone obliegen soll, ist das zentrale Anliegen.

Das kann auch nicht weiter überraschen. Merkels Reformvorschläge halten an zwei Punkten fest, die den Italienern sauer aufstoßen. Da ist zum einen die allein durch Regeln gesteuerte Haushaltspolitik, die der deutschen Kanzlerin vorschwebt – in feste Formen gegossen mit einem Europäischen Währungsfonds, der auf der gleichen Basis helfen soll, auf der die Troika Griechenland „half“: mit harten Auflagen.

Und da ist zum anderen das Prinzip, dass das letzte Wort bei den nationalen Regierungen bleibt, dass eine echte, supranationale Wirtschaftsregierung für die Eurozone nicht vorgesehen ist.

Macron dagegen wolle anderes, argumentiert der Politikprofessor Sergio Fabbrini in der Tageszeitung des Industriellenverbandes Il Sole 24 ore vergangenen Sonntag. Die Kanzlerin habe keinerlei Bewusstsein dafür, wie die Eurokrise zu bändigen sei. Macron dagegen weise den richtigen Weg mit seinem Plan, ein Budget der Eurozone einzurichten – dotiert mit eigenen Steuereinnahmen. Dieses Budget soll sowohl Infrastrukturinvestitionen finanzieren als auch auf Schocks in einzelnen Euro-Mitgliedstaaten reagieren.

Und Angela Merkel? Während Macron in dreistelligen Milliardengrößen denkt, redete die Kanzlerin bloß von einem „niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag“ für Investitionen in zukunftsträchtige Infrastrukturen.

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