Kommentar Wahlsieger López Obrador: Hoffnung auf ein anderes Mexiko

Bei der Wahl in Mexiko ging es nicht um Programme, sondern Glaub­würdigkeit angesichts entgrenzter Gewalt. Nun muss der neue Präsident liefern.

Andrés Manuel López Obrador, umringt von Kameras

Auf dem Weg zum Wahllokal: Andrés Manuel López Obrador Foto: dpa

Mehr als 100.000 Tote, 37.000 Verschwundene, steigende Benzin- und Strompreise, zunehmende Armut und ein Wirtschaftswachstum, das lächerlich ist für ein so reiches Land. Die Bilanz des mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto macht deutlich: Es war vor allem der noch amtierende Staatschef, der seinem am Sonntag gewählten Nachfolger Andrés Manuel López Obrador, kurz Amlo, einen unglaublichen Erfolg verschaffte.

Peña Nieto und weitere Amtsträger der PRI haben über Jahre hinweg das Bild einer korrupten, kriminellen Vereinigung bestätigt: Gegen zwölf ehe­malige PRI-Gouverneure wird ermittelt, weil sie öffentliche Gelder hinterzogen oder mit dem organisierten Verbrechen zusammengearbeitet haben. Zugleich hat der Staatschef ­schamlos zum Ausdruck gebracht, wie wenig Interesse er etwa an der Aufklärung des Verschwindens von 43 Studenten hat, solange er international als Partner ernst genommen wird.

Es ist dieses Verzweifeln an der Arroganz der Macht, an der Perspektivlosigkeit, die Amlo zum Hoffnungsträger gemacht hat. Er reiste jahrelang von Gemeinde zu Gemeinde, ist den Menschen nahe, verspricht, mit dem Wahnsinn Schluss zu machen. De facto hat López Obrador auch kein überzeugenderes Konzept gegen kriminelle Banden als seine Konkurrenten. In Sachen Menschenrechte konnte das gegnerische konservativ-liberale Bündnis durchaus mithalten, auch seine Sozial­programme stechen nicht hervor.

Aber bei dieser Wahl ging es nicht um Programme. Auch nicht um links oder rechts, Amlos Bündnisse mit Unternehmern und Evangelisten sprechen da für sich. Es ging um Glaub­würdigkeit in einem Land, das unter entgrenzter Gewalt, Straflosigkeit und Misstrauen zusammenzubrechen droht. López Obrador konnte das Vertrauen ausstrahlen, dass mit ihm ein anderes Mexiko möglich ist. Er trägt ­damit eine große Verantwortung. Dass er scheitern könnte, daran mag man gar nicht denken.

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Wolf-Dieter Vogel, Jahrgang 1959, ist Print- und Radiojournalist sowie Autor. Er lebt in Oaxaca, Mexiko. Seine Schwerpunkte: Menschenrechte, Migration und Flucht, Organisierte Kriminalität, Rüstungspolitik, soziale Bewegungen. Für die taz ist er als Korrespondent für Mexiko und Mittelamerika zuständig. Er arbeitet im mexikanischen Journalist*innen-Netzwerk Periodistas de a Pie und Mitglied des Korrespondentennetzwerks Weltreporter.

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