Punk-Legende Danny Fields im Interview: „Nicht hippie, einfach nur happy“

Die Stooges, MC5, die Ramones – Danny Fields brachte sie zum New Yorker Label Elektra. Dabei hatte er Pop zunächst mit Pop-Art verwechselt.

Jungs mit Gitarren, Lockenköpfen, Schlaghosen, ekstatisch nach hinten gebeugt

Der Protopunkband MC5, hier 1969 live in Mount Clemens, Michigan, verschaffte Fields ihren ersten Plattenvertrag Foto: Leni Sinclair

taz: Danny Fields, Sie haben keine ungewöhnliche Biografie, aber sie waren früher dran als viele andere: ein abgebrochenes Jurastudium in Harvard schon 1960, was war damals mit Ihnen los?

Danny Fields: (Seufzt) Ach, da war ich 19 Jahre alt, und wünschte mir ein neues Leben. Und mein „neues Leben“ in Harvard war nur Aufguss meines alten Lebens. Man geht zur Schule und geht wieder zur Schule. Am Ende hat man ein Papier in der Hand, das einem bescheinigt, zu irgendwas befähigt zu sein. Harvard hörte sich für mich romantisch an, nach Elite und Schlaubergern. Ich habe bald Vorlesungen geschwänzt und am Harvard Square abgehangen, mit den Beatniks, Folkies und Hippies und den anderen Schulabbrechern. Ich wurde ein Outcast.

Sie wussten nicht, was Sie als Studienabbrecher erwarten würde?

Ich wusste, was mich als Jurist erwarten würde, und hatte Gleichgesinnte gefunden, am Harvard Square und dem Brattle Theatre, dem Kino in Cambridge, was gewissermaßen meine Universität war. Dann bin ich nach New York. Nur konnte ich meinen Eltern schlecht sagen, welchen Spaß es mir machte, zu klauen, zu saufen und die ganze Nacht Sex zu haben. Und den ganzen Tag.

Was haben Sie Ihren Eltern denn erzählt?

Ich habe so getan, als würde ich in New York weiterstudieren und mich pro forma an der NYU für englische Literatur eingeschrieben. Damit hat wirklich mein neues Leben angefangen, das sich jetzt langsam dem Ende zuneigt.

1941 in New York als Daniel Feinberg geboren, gilt Danny Fields als eine der einflussreichsten Figuren in der Geschichte des Punk. Fields arbeitete in Andy Warhols Factory, begann über Musik zu schreiben und beendete die Karriere der Beatles als Live-Band, indem er 1966 John Lennons Zitat, die Beatles seien „more popular than Jesus“, in den USA verbreitete. Fields entdeckte unter anderem die Bands MC5, die Stooges und die Ramones. 1976 brachte Fields die Ramones auch nach England, wo sie die dortige Punkexplosion mit auslösten. Die Band widmete ihm später den Song „Danny Says“. Ein Bildband mit Fields’ Fotos der Ramones ist kürzlich unter dem Titel „My Ramones“ im Verlag Reel Art Press erschienen.

Wie erinnern Sie die frühen Sechziger? Waren Sie Folkie?

Wer aus der oberen Mittelschicht New Yorks kam, war automatisch Folkie. Bis 1964, als die Beatlemania losging. Mit Musik hatte ich damals noch nicht viel im Sinn, lieber habe ich mit Lotte Lenya Poker gespielt in der East 54th Street … Und es gab noch die Werbebranche, die Hochzeit der „Mad Men“, sehr verlockend, aber nicht einfach für einen Juden. Es gab eine große Agentur, die schlaue Juden beschäftigt hat, der Rest war, genau wie die Wall Street, absolut WASPy.

Wie sind Sie dazu gekommen, über Popmusik zu ­schrei­ben?

Ich hatte eine Annonce entdeckt: „Expandierendes Pop-Magazin sucht Redakteur“. Ich dachte, es ginge um Pop-Art. Ich war mit Robert Rauschenberg, Andy Warhol und anderen Künstlern bekannt und habe behauptet, dass ich mich mit Pop bestens auskenne. Zum Vorstellungsgespräch hatte ich mir ein Billboard Magazine gekauft und es auswendig gelernt. Und so wurde ich Redakteur eines Blatts, das sich vor allem an Beatles-­Fans wandte. Die Zielgruppe waren Teenie-Mädchen, die sich außerdem dafür interessierten, ob man Erdnuss-Butter am besten mit Marmelade aus den Haaren bekommt.

Und dann haben Sie für Aufruhr gesorgt, als Sie das John-Lennon-Zitat veröffentlicht haben, die Beatles seien „more popular than Jesus“.

Das war 1966. Der Herausgeber kaufte zwei Interviews, die John Lennon und Paul McCartney gegeben hatten. In dem einen sagt Lennon: „Ich frage mich, was eher ausstirbt, Rock ’n’ Roll oder das Christentum.“ Das Zitat nahmen wir aufs Cover, und im Innenteil konnte man dann Johns Zitat lesen: „We are more popular than Jesus now.“

Daraufhin wurden in den USA Beatles-Platten verbrannt.

Es gab richtig Ärger. Die ­Beatles erhielten sogar Morddrohungen.

Hatten Sie eigentlich selbst radikale politische Ideen? Schließlich waren Sie derjenige, der der Protopunkband MC5 den ersten Plattenvertrag gegeben hat, als Sie beim Label Elektra gearbeitet haben.

Ich war ein durchschnittlich linker New Yorker Jude. Wie meine Eltern, die auf dem College mit trotzkistischen Ideen geflirtet hatten, aber gewöhnliche Linksliberale waren. Ich war ein gewöhnlicher Vietnamkriegsgegner. Natürlich habe ich beim Marsch auf Washington mitdemonstriert, aber ich wollte keine Banken abfackeln. Die Kriegsgegner waren halt sexyer als die Befürworter.

MC5 waren für Sie also vor allem sexy?

Sie waren eine schweine-tighte Rock-’n’-Roll-Band. Politik war Teil ihrer Show, wie Karneval. „Reckt eure Fäuste, Brüder und Schwestern“ – ich bitte Sie, wer glaubt denn an so was? Aber die Leute fanden das aufregend, MC5 haben große Hallen gefüllt und dann geliefert, mit allem Drum und Dran. Politik war später ihr Tod: Ihre Parole „Dope, Guns and Fucking in the Streets“ ging zu weit. Sie haben den Leuten Angst eingejagt. Genau wie die Sex Pistols.

Dann mochten Sie die Stooges wohl lieber, die Sie am selben Tag wie MC5 unter Vertrag genommen haben.

Na klar, ich mochte Iggy und den Sound und die Musik der Stooges. Mehr als alles, was ich seit The Velvet Underground gehört hatte. Ich hatte die Musik von draußen wahrgenommen, bevor ich den Raum betrat, in dem sie spielten, und mich traf ein Blitz, schon bevor ich Iggy auf der Bühne gesehen hatte.

Wie sah damals ihr Job in der Musikindustrie aus?

Ich bin Erster Klasse geflogen, um mir Bands anzuschauen.

Mir war wichtig, dass der Schriftzug „Marijuana“ deutlich zu lesen war, die Eltern der Teenager sollten tot umfallen, wenn sie es sehen. Die Jugendlichen sollten dann das Haus für sich haben, das war meine Idee

Waren Sie ein A&R-Manager und echter Talentsucher?

Das kam eher nebenbei. Auf dem College haben wir gerne eine Platte gehört, die hieß „Songs of Heidelberg“, darin ging es nur ums Saufen. Und ich dachte, warum gibt es keine Platte über Leute, die Pot rauchen? Nicht hippie, einfach nur happy. Und am Washington Square gab es diesen Straßenmusiker, David Peel, der darüber sang, wie gern er Marihuana rauchte. Ich erzählte meinem Boss von der Idee, und wir machten ein Album, live aufgenommen am Washington Square: „Have a Marijuana“. Die Aufnahme hat 1.500 Dollar gekostet, für den Strom hatten wir die Straßenlaternen angezapft, aber die Aufnahme war absolut professionell. Das Album hat sich ein paar Hunderttausend Mal verkauft. Mir war wichtig, dass der Schriftzug „Marijuana“ deutlich zu lesen war, die Eltern der Teenager sollten tot umfallen, wenn sie es sehen. Die Jugendlichen sollten dann das Haus für sich haben, das war meine Idee. Ab da war ich A&R-Manager. Aber das war damals alles fließend, die Musikindustrie hat sich damals so rasant entwickelt, man kam kaum hinterher.

Besaßen Sie auch die Fähigkeit, die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen als andere?

Sie meinen, ob ich viel LSD genommen habe?

Na ja, wenn das die Frage ist …

Das haben wir alle getan. Und unsere ganze Generation hat die Welt anders gesehen als die Generation davor. Wir waren privilegiert, und fanden uns plötzlich in dieser Rock-’n’-Roll-Welt wieder. Nicht wir haben die Welt verändert, die Welt hat sich verändert, und wir haben dabei geholfen. Grace Slick von Jefferson Airplane war auf der Schule mit Richard Nixons Tochter. Roger McGuinn von den Byrds war der Sohn eines reichen Anwalts aus Chicago. Dasselbe in England: Mick Jagger besuchte die London School of Economics, er kam nicht aus der Arbeiterklasse. Und genau wie ich wollten wir es alle anders machen als unsere Eltern. Wir haben auch keinen Namen gesucht für das, was wir wollten. Zimmermann, Zahnarzt, Schuhmacher …, das konnte man alles machen, wenn man wollte. Aber Bassist in einer Rock-’n’-Roll-Band? Das konnte man nicht von seinen Eltern lernen. Das war ein großer Umbruch.

Ich habe gelesen, dass Sie Ihr Coming-out in den frühen siebziger Jahren hatten.

Coming-out? Was soll das sein?

Na ja, dass Sie öffentlich gemacht haben, dass Sie schwul sind.

Leee Black Childers sagt etwas in einem Film über mich, das diese Frage am besten beantwortet. Auf die Frage: „When did Danny come out?“, antwortet Leee: „Come on, Danny was always out.“ Also, ich weiß nicht, was Coming-out bedeutet.

Es gab also keine Entscheidung Ihrerseits?

Was für eine Entscheidung ist gemeint?

Ich hatte mich gefragt, ob es jemanden gab, der Sie ermutigt hat, offen schwul zu leben. Das war ja damals noch sehr heikel, oder?

Im New York der Sechziger war das überhaupt kein Problem. Es war in New York noch nie ein Problem, und auch nicht auf den Colleges und Universitäten, die von der Mittelklasse besucht wurden. Und auch nicht im Showbusiness, ich bitte Sie. Wenn man ein Filmstar war, wollte man nicht, dass die Leute wissen, dass man eine Lesbe ist, wie Rock Hudson. Ups … ich meine, ein Mann wie Rock Hudson, hoppla. Aber im Musikbusiness? Niemand hat sich je darüber aufgeregt, dass Cole Porter schwul war. Es war kein Geheimnis, warum sollte es auch.

Als Sie 1975 die Ramones entdeckt haben, waren Sie schon 36 Jahre alt, also aus der Sicht der Ramones ein alter Sack. Hatte Ihre Beziehung zu den vier Musikern etwas Väter­liches?

Sie haben recht, es hatte etwas Familiäres, und die Ramones kamen als meine uniformen Vierlings-Söhne daher. Sie waren eher meine Brüder, die ich in Wirklichkeit nie hatte. Wenn man sie gesehen hat, wusste man sofort, wer sie waren: Jeder für sich eine Persönlichkeit. Einzeln hätten sie das nie verkörpern können, aber zusammen als The Ramones konnten sie den Bubblegumwahnsinn entfachen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.