Mehr für den kleinen Geldbeutel

Ein Unternehmen wirbt mit regionaler Herstellung seiner Produkte und meint schlecht bezahlte Arbeit
von Berliner GefängnisinsassInnen. Die Gefangenengewerkschaft fordert die Zahlung des Mindestlohns

Von Peter Nowak

„Drucken, Falten, Nähen – das alles passiert in Berlin & Deutschland. Regionales Wirtschaften funktioniert einfach besser als miese Arbeitsbedingungen in Drittländern.“ So wirbt das Berliner Unternehmen Paprcuts für seine Produkte, etwa reißfeste Handyhüllen, Tabakbeutel und Portemonnaies. Hergestellt werden diese auch in Berliner Justizvollzuganstalten.

Deshalb erhielt Paprcuts vergangene Woche Post von der Berliner Gruppe der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO). Sie fordert den Mindestlohn für arbeitende Gefängnisinsassen und ihre Einbeziehung in die Rentenversicherung.

„Wie euch durch eure Verträge mit der JVA Reinickendorf und Faktura bekannt ist, zahlt ihr den ArbeiterInnen aber nur 1–2 Euro die Stunde, also etwa 1/9 von dem, was arbeitende Menschen draußen erhalten“, heißt es in dem Schreiben. Zudem würden die Frauen in der JVA Reinickendorf über strenge Zeit- und Qualitätskontrollen bei der Arbeit klagen, berichtet Martina Franke von der Soligruppe der GG/BO der taz.

Franke ärgert es besonders, dass Paprcuts die Arbeit in der JVA als soziales Projekt bewirbt. „Wir fordern das Unternehmen auf, zu erklären, warum es sich in der eigenen Werbung explizit gegen schlechte Arbeitsbedingungen in Drittländern wendet und dann einen Teil der Produkte in der JVA zu ebenso schlechten Bedingungen herstellen lässt.“ Schließlich seien Knäste ebenso wie Werkstätten für Menschen mit ­Behinderungen, in denen ebenfalls Produkte von Paprcuts hergestellt werden, „Billiglohninseln, in welchen auf Kosten der Beschäftigte Profite gemacht werden“, moniert Franke.

Als positives Signal sieht sie, dass Paprcut sich zu Gesprächen bereit erklärt hat. Geschäftsführer Oliver Wagner äußerte sich über deren Erfolgsaussichten allerdings skeptisch. „Wir empfinden das Schreiben der GG/BO als überaus konfrontativ und zweifeln an, dass hier ein konstruktiver Dialog möglich sein wird. Daher möchten wir uns ungern in das Zentrum dieses Dialogs stellen lassen und uns für die Forderungen von der Gefangenengewerkschaft öffentlich instrumentalisieren lassen“, so Wagner.

Die Vergabe der Aufträge an die JVA bezeichnet er weiterhin als soziales Projekt. Franke sieht es als positiv an, dass ­Wagner von der JVA weitere Informationen über die Arbeitsbedingungen angefordert hat. Auf die Frage, ob nicht eher die JVA als die Gefangenen von einer Lohnerhöhung profitieren würde, gibt sich Franke kämpferisch. „Falls sich ein Unternehmen bereit erklärt, den Mindestlohn zu zahlen, und die JVA den Gefangenen trotzdem nur 1 bis 2 Euro Stundenlohn auszahlt, gehen wir an die Öffentlichkeit.“