Protest gegen Niedersachsens Polizeigesetz: Fast wie in Bayern

In Niedersachsen vernetzen sich Kritiker des neuen Polizeigesetzes. Sie planen eine Großdemo am 8. September.

„Einmal präventiv wegsperren, bitte“: Das neue Polizeigesetz soll's wochenlang möglich machen. Foto: dpa

HANNOVER taz | In einem sind sich Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) und die Kritiker des neuen Polizeigesetz einig: Niedersachsen soll nicht Bayern sein. Wenn Pistorius über die geplanten Gesetzesänderungen spricht, gibt er sich Mühe, die Unterschiede zum CSU-geführten Land zu betonen. Es sei ein „Kompromiss zwischen den veränderten Sicherheitsinteressen und dem Schutz der bürgerlichen Grundrechte“.

Sogenannte Gefährder unbegrenzt in Präventivhaft nehmen? Das sei „nicht sinnvoll“, sagt Pistorius und versucht, gegenüber dem Koalitionspartner CDU und deren Hardliner Uwe Schünemann ein eigenes Profil zu wahren. Immerhin war Schünemann selbst zehn Jahre lang auf Pistorius’Posten und hat als Innenminister den Seehofer gespielt.

Die Hoffnung der KritikerInnen des neuen Polizeigesetzes gehen in eine andere Richtung. Ihre Einwände sollen Gehör finden – anders als in Bayern, wo Zehntausende demonstrierten, sich die CSU aber nicht beirren ließ und das Gesetz verschärfte. Ein breites Bündnis ruft nun für den 8. September zu einer Großdemo in Hannover auf.

Schließlich sind auch die Gesetzesänderungen in Niedersachsen kein Pappenstiel. SPD und CDU wollen mit dem neuen Polizeigesetz unter anderem 74 Tage Präventivhaft für gefährliche Personen einführen und elektronische Fußfesseln anlegen können. Vorbeugend sollen Telefone überwacht und E-Mails mitgelesen werden, unter anderem mittels Trojaner-Software.

Die Polizei soll reagieren, noch bevor etwas passiert ist – ein Paradigmenwechsel

Es sind Verschärfungen, die in fast allen Bundesländern anstehen – auch als Reaktion auf den Anschläge auf den Weihnachtsmarkt in Berlin 2016. Die Polizei soll reagieren, noch bevor etwas passiert ist – auch wenn das heißt, Menschen einzusperren, die noch keine Straftat begangen haben. Ein Paradigmenwechsel, der sich in den letzten Jahren bereits schleichend vollzogen hat. In Bremen steht der Gesetzesprozess still, seit der grüne Koalitionspartner gegen die von der SPD geplanten Verschärfung intervenierte.

In Niedersachsen aber sind nicht nur im Bereich der Terrorabwehr Verschärfungen geplant. Auf Demonstrationen soll Vermummung wieder als Straftat gelten, die öffentliche Überwachung soll ausgeweitet und PolizistInnen sollen mit Taserwaffen ausgestattet werden.

Für den grünen Abgeordneten Belit Onay steht mit dem Polizeigesetz viel auf dem Spiel: „Die Bürgerrechte werden verramscht“, sagt er. Wohl auch deshalb ist die Opposition in diesem Fall ungewöhnlich breit. Im Landtag hält etwa auch die FDP mit dagegen.

Außerhalb des Parlaments erreichte eine Petition gegen das Polizeigesetz auf den Seiten der Organisation „Campact“ am Dienstag über 22.000 Unterschriften. In einem neuen Bündnis sammeln sich verschiedenste Akteure, darunter neben der Grünen Jugend auch die Jusos, der Jugendverband von Ver.di, Antifagruppen, Linkspartei, der Verein Digitalcourage, aber auch der Niedersächsische Flüchtlingsrat oder Vertreter von Fußball-Fangruppen. .

Auch die Göttinger Anwälte Sven Adam und Rasmus Kahlen sind gegen das Polizeigesetz aktiv. „Es wird immer gesagt, es gehe um Terrorabwehr“, sagt Kahlen, „die Maßnahmen, die geplant werden, haben mit Terrorabwehr aber nichts zu tun, sondern sind eine Ausweitung der Kompetenz der Polizei und eine Aushöhlung von Bürgerrechten.“ Seine Kritik wird er am Mittwoch mit Sven Adam auf einer Veranstaltung im Holborn’schen Haus in Göttingen vortragen. Adam ist zudem in den Landtag geladen. Drei Tage lang sollen Fachleute im August zu dem Gesetz gehört werden.

Kahlen weist darauf hin, dass bei der Präventivhaft im Gesetz nicht von „Terroristen“ oder „Gefährdern“ gesprochen werde, sondern generell von „gefährlichen Personen“. Er erinnert an einen Fall, bei dem eine junge Antifaschistin übers Wochenende in Präventivhaft genommen worden sei, weil sie gegen den AfD-Parteitag demonstrieren wollte. Und wo? In Bayern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.